Aerzteblatt – EMA warnt vor weiteren seltenen Impfkomplikationen

Amsterdam – Im Anschluss an eine Impfung mit der COVID-19 Vaccine Janssen ist es in seltenen Fällen zu einer kutanen leukozytoklastischen Angiitis („cutaneous small-vessel vasculitis“, CSVV) gekommen. Der Impfstoff Spikevax von Moderna wurde mit einem Aufflammen eines Kapillarlecksyndroms („capillary leak syndrome“, CLS) in Verbindung gebracht.

Der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hält einen kausalen Zusammenhang für möglich und rät deshalb zur Aufnahme der Impfkomplikationen in die Fachinforma­tio­nen.

Beim CSVV kommt es zu einer Entzündung der Blutgefäße in der Haut. Die Folge ist ein violetter oder rötlicher Ausschlag, der größere Abschnitte der Haut bedecken kann. Manchmal kommt es auch zu einer Nesselsucht oder Blasenbildung. Auslöser können virale oder bakterielle Infektionen sowie Medikamente und Impfstoffe sein. Sofern nur die Haut betroffen ist, kommt es zu einer spontanen Abheilung ohne blei­bende Schäden.

Der PRAC hat insgesamt 21 Fälle geprüft, die weltweit nach der Gabe des vektorbasierten Impfstoffs Ad26.COV2.S von Janssen aufgetreten sind, der von Johnson & Johnson vertrieben wird. 10 Fälle erfüllten die Definition einer CSVV.

Für die meisten dieser 10 Fälle konnte keine andere Erklärung gefunden wer­den. Bei 8 sprach der zeit­liche Zusammenhang mit der Gabe des Impfstoffs für einen Zusammenhang. Bei 42,5 Millionen bis Ende 2021 verimpften Dosen des Impfstoffs, dürfte es sich um eine äußerst seltene Impfstoffreaktion handeln.

Das CLS ist ebenfalls eine äußerst seltene Erkrankung, die allerdings für den Patienten lebensbedrohlich sein kann. Durch den massiven Austritt von Flüssigkeit aus den Kapillaren kommt es zu einem sich rasche entwickelnden Ödem an Armen und Beinen.

Der Verlust von Plasmawasser hat eine Hämokonzen­tration („Bluteindickung“) zur Folge, die die Durch­blutung lebenswichtiger Organe (etwa der Nieren) ge­fähr­det. Gleichzeitig kann der Volumenmangel einen lebensgefährlichen hypovolämischen Kreislauf­schock auslösen.

Das CLS kann wie das CSVV nach Virusinfektionen auftreten oder auch bei Leukämien, entzündlichen Er­krankungen und einigen medizinischen Behandlungen. Auch Impfstoffe gelten als mögliche Auslöser. Ein CLS wurde im letzten Jahr nach der Gabe der vektorbasierten Impfstoffe von Janssen und Astrazeneca be­obachtet. Diese dürfen bei Patienten mit einem CLS in der Vorgeschichte nicht mehr eingesetzt wer­den.

Zuletzt wurden auch die mRNA-Impfstoffe BNT162b2 (Comirnaty von Biontech/Pfizer) und mRNA-1273 (Spikevax von Moderna) mit einem CLS in Verbindung gebracht. Der PRAC überprüfte insgesamt 55 Fälle, von denen 11 nach der Gabe von Spikevax und 44 nach der Gabe von Comirnaty aufgetreten waren. Vor dem Hintergrund, dass bisher ungefähr 559 Millionen Dosen Spikevax und 2 Milliarden Dosen Comirnaty verimpft wurden, sind dies sehr seltene Ereignisse.

Aus Sicht des PRAC lässt sich derzeit kein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Impfstoffen und dem Auftreten neuer Fälle von CLS herstellen. Ein Wiederaufflammen der Erkrankung bei einem CLS in der Vorgeschichte hält der PRAC jedoch bei Spikevax für möglich.

Er empfiehlt deshalb die Aufnahme eines Warnhinweises in die Produktinformationen, um bei Patienten und Ärzten das Bewusstsein für ein potenzielles Risiko zu schärfen. Für Comirnaty ist dies derzeit nicht vorgesehen, da die bisher gemeldeten Fälle einen solchen Zusammenhang nach Einschätzung des PRAC nicht stützten.

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/132510/SARS-CoV-2-EMA-warnt-vor-weiteren-seltenen-Impfkomplikationen