In dubio pro libertate. Von der unerträglichen Leichtigkeit des Scheins.

Vorbemerkungen

Faktische und stilistische Sachlichkeit dieses kleinen Beitrages verhalten sich reziprok zueinander. Ich habe mir größte Mühe gegeben, absolut objektive Fakten in einen absolut subjektiven Text einzufassen.

Trotz sorgfältiger Recherche und Prüfung können mir Fehler unterlaufen sein, deren Hinweise ich dankbar in eine korrigierte Fassung einarbeiten werde. Der Text repräsentiert den mir aktuell bekannten Stand der Dinge. Fast täglich ändert sich, was wir über SARS-CoV-2 wissen, oder jedenfalls zu wissen glauben.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin weder Epidemiologe noch Virologe noch Mediziner. Die folgenden Informationen sind kein medizinischer Ratgeber.

Ich bin besorgt und wütend und enttäuscht zugleich. Ich muss anschreiben gegen den Wahnsinn. Ich kann nicht anders.

„Sapere Aude!“

Jeder Tod ist tragisch, jede das Leben beeinträchtigende Erkrankung ein bedauerliches Ereignis, das zu verhindern wünschenswert ist.

Täglich sterben in Deutschland durchschnittlich 2.500 Menschen. Immer bedeutet der Tod einen schweren Verlust. Zumeist ist er aber auch der Abschluss eines langen Lebens, gehört er zum natürlichen Lauf irdischen Daseins, das stets auf die gleiche, unausweichliche Weise sein Ende findet.

Dennoch, oft wäre er aufschiebbar, nicht selten sogar vermeidbar. Ohne Automobilität, gäbe es keine Verkehrstoten und wahrscheinlich weniger schwere Lungen- und Krebserkrankungen. Achteten die Menschen mehr auf gesunde Ernährung, gäbe es signifikant weniger Herz-Kreislauferkrankungen, weniger Übergewichtigkeit und weniger schwere Fälle von Diabetes. Schon etwas mehr Bewegung würde viele Leben um Monate, vielleicht um Jahre verlängern. 120.000 vorzeitige Todesfälle könnten jedes Jahr vermieden werden, wenn nicht 18 Millionen Deutsche regelmäßig mit Genuss zu Zigarre, Pfeife oder Zigarette greifen würden.

Der Mensch hat gelernt, gewisse Gefahren zu akzeptieren, weil der Preis für ein risikofreies Leben, eben auch ein ganz und gar unfreies Leben wäre.

Das soll kein Plädoyer für eine ungesunde Lebensweise sein, aber es ist wichtig, zu verstehen, dass wir eine Vielzahl Risiken für akzeptabel halten, insofern sie Folge gewisser Annehmlichkeiten sind, für oder gegen die wir uns als Bürger einer freien Welt bewusst entscheiden! Obwohl körperliche Gesundheit ein höchst schützenswertes Gut ist, nehmen wir deren mögliche Beeinträchtigung in Kauf, solange das Risiko hierfür eine Folge lieb gewonnener Gewohnheiten ist.

Nicht anders verfahren wir im Umgang mit Krankheiten. Maßnahmen zum Schutz vor ihnen, und Therapien zur Behandlung ihrer Folgen, stehen immer auf dem Prüfstein der Verhältnismäßigkeit.

Wohl kaum jemand würde sich einen Impfstoff verabreichen lassen, dessen Gefahr schwerer Nebenwirkungen nur unwesentlich besser wäre, als das Risiko eines schweren Verlaufs der Krankheit selbst. Tatsächlich würde unsere moderne Medizin einen solchen Impfstoff wohl gar nicht erst zulassen, weil das Nutzen-, Risikoverhältnis inakzeptabel schlecht wäre. Man stelle sich einen Impfstoff vor, der zwar nur in einem von tausend Fällen schwere Nebenwirkungen auslöste, mit dem sich aber vierzig Millionen Menschen impfen ließen. Vierzigtausend schwere Erkrankungen durch eine Impfung sind ganz sicher keine akzeptable Quote.

So gibt es in der gesamten Geschichte der modernen Medizin keine einzige Krankheit, für die wir das gesamte öffentliche Leben angehalten, gesunde Menschen in Quarantäne gezwungen, die Wirtschaft heruntergefahren, die medizinische Versorgung auf das Notwendigste reduziert und sämtliche Schulen, Kindergärten und Krippen auf unbestimmte Zeit geschlossen haben. Weil die Wirksamkeit solcher Maßnahmen höchst zweifelhaft, die Folgeschäden aber ein nahezu unkalkulierbares Risiko sind.

Diesem unbestrittenen Wissen zum Trotz, ist es genau das, was Millionen Menschen in den vergangenen Monaten widerfuhr und ihre Lebenswirklichkeit bis zum heutigen Tag auf nie da gewesene Weise verändert hat.

Leichtfertig haben Regierungen weltweit Fehlentscheidungen von epochaler Tragweite getroffen.

Etwas, das mich vom ersten Tag dieser Krise an innerlich zerrissen hat, war die gänzliche Abwesenheit objektiver, evidenzbasierter Entscheidungen, die Indiz eines vernünftigen Umgangs mit dem Problem der Coronavirus-Epidemie gewesen wären. Das Verstummen rationaler Stimmen war mir unbegreiflich. Ganz gleich ob auf medialer, politischer oder — und das mag nun etwas seltsam anmuten — akademischer Ebene. Es begann mit dem wertlosen Herumwedeln kumulierter Fallzahlen, setzte sich fort mit der ständigen Verlautbarung neuer beängstigender Eigenschaften des Virus, kulminierte dann in den bizarren “Fakten-Checks” der Leitmedien, als plumpe Werkzeuge einer verzweifelten aber unverhohlenen Narrativpflege, und mündete letztlich in der unsäglichen Posse um den R-Wert und anderer absurder Maßzahlen des RKI. Obendrein, als Erzähler dieser Schmierenkomödie, der immer präsente, gute Dr. Drosten. Seine Säuselstimme eingegossen in journalistische Elogen auf alles und nichts, als Interview getarnte öffentliche Therapiegespräche: immer das Wohlbefinden des Patienten im Blick. Unklar nur, wer auf welcher Seite des Tisches saß.

Pandemie, der erste Versuch

Bevor ich mich an den amateurhaften Versuch wage, das Licht meiner Taschenlampe auf die richtigen Stellen ins Dunkel zu richten, muss ich mit einer kleinen Geschichte anfangen, um das Große und Ganze in einen stabilen Rahmen zu hängen.

Sie beginnt im Jahr 2009 mit einem noch jungen, sehr ambitionierten und bereits hoch dekorierten Bundesverdienstkreuzträger, der keine zwei Jahre zuvor die nächste Sprosse seiner Karriereleiter erklommen hatte, und aus der wissenschaftlichen Subalternität eines Laborleiters, in die gewichtige Stellung des Leiters des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn aufgestiegen war, und sich dort zu Größerem berufen fühlte. Mit Fug und Recht! War er es doch gewesen, der (gemeinsam mit Kollegen) im Jahr 2003 die Welt (der Virologie) in Erstaunen versetzt hatte, als es seiner Forschungsgruppe gelungen war, für das SARS-Coronavirus einen labordiagnostischen Test zu entwickeln. Ja, der Zufall hatte auch ein bisschen geholfen, aber wer will den so kleinlich sein? Er und seine Kollegen waren damals als Erste über die Ziellinie gelaufen. Er hatte solide akademische Arbeit geleistet und nun schmückte ihn das strahlende Verdienstkreuz, zierten ihn bereits wichtige akademische Ehren. Noch keine Vierzig, Professor und Bundesverdienstkreuzträger. Das können nicht viele von sich behaupten!

In jenem Jahr 2009 trat ein bis dahin unbekanntes Influenza-Virus namens H1N1 auf die Bühne, das die Welt in Angst und Schrecken versetzten sollte. Weil aber so ein Virus allein erst einmal niemanden vom Hocker reißt (jedenfalls nicht, solange man nicht schwer daran erkrankt), brauchte es einen gruseligen Namen (Schweinegrippe) und tatkräftige Hilfe der immer-etwas-mehr-wissenden Fachwelt, um jenem weltweiten und tief greifenden Grausen ein tragfähiges Fundament zu verleihen. Das übernahmen auf internationaler Bühne, damals wie heute, die WHO und das Imperial College London sowie, in unserem kleinen deutschen Schaukasten, der angebliche Gesundheitsexperte Lauterbach und unser hoch angesehener Virologe aus Bonn. Selbstredend wirkten noch zahlreiche andere Amts-, Würden- und Titelträger in Haupt- und Komparsenrollen, aber das soll im Moment ins Regal der Nebensächlichkeiten gestellt werden.

An dieser Stelle könnte die Geschichte nun leichthändig in Länge und Tiefe des Gotthardtunnels ausgebaut werden. Über das bizarre Handeln der WHO (Änderung der Pandemiedefinition, um eine Pandemie ausrufen zu können), den tobenden Lobbyismus der Pharmaindustrie, sowie die unrühmliche Rolle nationaler Regierungen und der EU — die letztlich sogar zu Untersuchungsausschüssen auf Bundes– und EU-Ebene führten — möge sich jeder selbst informieren. Ich möchte aus Gründen der Übersichtlichkeit darauf verzichten.

Die Geschichte im Schnelldurchlauf geht in etwa so: In Erwartung einer unvorstellbar großen Zahl Erkrankter und Opfer, die unter anderem auf den fundierten, wissenschaftlichen Erkenntnissen der virologischen Fachwelt beruhten und auf den hochpräzisen epidemiologischen Modellen eines gewissen Prof. Ferguson, erwarb allein die Bundesrepublik Deutschland eilends zugelassene Impfstoffe (mit zum Teil schlimmen Nebenwirkungen), im Wert einiger Hundert Millionen Euro. Am Ende musste ein Großteil der Impfstoffe aufwendig vernichtet werden und die Bundesländer blieben auf Kosten von mindestens 239 Millionen Euro sitzen — noch günstig, im Vergleich zu den 1,3 Milliarden, die Großbritannien abschreiben musste oder den 990 Millionen, die Frankreich in Impfstoffe investiert hatte.

In Deutschland erwies sich die Schweinegrippe-Welle als eine der mildesten der vergangenen Jahre. Das Fachmagazin The Lancet schätzt die weltweite Opferzahl, im ersten Jahr des Auftretens, auf 151.700–575.500, wobei schon an der Schwankungsbreite die erhebliche Unsicherheit der Schätzung zu erkennen ist. Heute tritt H1N1 weltweit endemisch auf, kehrt also regelmäßig zur Grippesaison als eines der vielen “normalen” Grippeviren zurück, wenngleich, wie alle Influenza-Viren, in stets neuem Gewandt.

Zur Einordnung: Nach einer ebenfalls im Fachmagazin The Lancet erschienenen Studie aus 2017, sterben jedes Jahr weltweit zwischen 290.000 und 650.000 Menschen an Influenza-Viren. Jedes Jahr!

Die Welt war einige Monate in heller Aufregung, doch am Ende war H1N1 nicht viel mehr, als der berühmte Sturm im Wasserglas. Auch damals schon waren die verursachten Kosten immens — von den gesundheitlichen Schäden jener ganz zu schweigen, die an den Nebenwirkungen des Impfstoffes Pandemrix oder des Virustatikums Tamiflu litten oder noch immer leiden.

Zurück ins Jahr 2020. Heute hat der Top-Virologe Drosten, mittlerweile aus der Bonner Provinz in die strahlende Hauptstadt zu höchsten Ehren an die große Charité berufen, natürlich hervorragende Erklärungen dafür, warum die Virologie im Allgemeinen und er im Besonderen damals zwar recht hatten, aber dennoch falschlagen (nachzuhören in Eloge Nr. 42).

Ich will und kann das alles im Detail gar nicht beurteilen. Ich bin sogar sicher, dass Drosten und die Seinen zu Beginn sehr gute Gründe hatten, einen apokalyptischen Verlauf der Schweine-Influenza anzunehmen. Ich habe auch nicht den geringsten Zweifel an der tadellosen virologischen Expertise des Virologen Drosten, mag diese weltweit herausragend sein.

Erhebliche Defizite muss man aber seiner erkenntnistheoretischen Wissenschaftsfähigkeit attestieren. Wer sich den Blick so weit verstellt, dass ihm das Scheitern seiner Thesen an der Realität über Wochen und Monate nicht offenbar wird, der leidet entweder an einer erdrückenden Hybris oder dem unter Akademikern bedauerlicherweise hochprävalenten Tunnelblick. Vielleicht waren es auch die Last seines Bundesverdienstkreuzes und ein bisschen zu groß geschnittener Meriten, vielleicht auch ein gewisser öffentlicher Druck, welche die Urteilskraft getrübt hatte. Im schlimmsten Fall bedingten die mannigfaltigen Abhängigkeiten der nicht ganz so freien Wissenschaften, dass der Blick nicht einfach nur verstellt, sondern, einem Brennglas gleich, auf eine sehr kleine Fläche gelenkt und hoch konzentriert war.

Aus Fehlern lernen?

Nun gut. “Errare humanum est”, wissen wir ja bereits seit der Antike. Ganz besonders die Wissenschaften schöpfen Erkenntnis aus Irrtum. Erst im dialektischen Spannungsfeld von These und Antithese, von Verifikation und Falsifikation, kann echte Erkenntnis und hernach genuines Wissen entstehen.

Die einfache Frage lautet also: Was haben die damals Irrenden aus ihrem folgenschweren Irrtum gelernt? Nun, die ebenso einfache wie überaus ernüchternde Antwort darauf lautet: Nichts!

Versuchen wir uns, dieser abscheulichen Leere etwas anzunähern.

Pandemie, der zweite Versuch

Als im Januar erstmals Berichte über ein neues Coronavirus eine breitere Aufmerksamkeit erhielten — die Chinesen inszenierten in Wuhan eine gigantische Show und bauten binnen acht Tagen zwei Krankenhäuser mit jeweils über eintausend Betten, gleichzeitig wurde am Starnberger See ein großes deutsches Unternehmen geschlossen, und ein gutes duzend Fälle in Bayern versetzten fast täglich die Republik in helle Aufregung — da ahnte wohl kaum jemand, was dieses Virus bald für die eigene Lebenswirklichkeit bedeuten würde.

Mit Sicherheit nicht einmal unser Bundesverdienstkreuzträger, der, immer auf der Suche nach dem nächsten Killervirus, eilends seine gesamte Expertise in den Ring warf und in neuerlicher Rekordzeit, bereits Anfang Januar, eine erste Version seines labordiagnostischen Schnelltests für das heute als SARS-CoV-2 bekannte Coronavirus veröffentlichte. “Erster!”, könnte ein leises, heiteres Säuseln durch die von der Nacht verdunkelten Flure am Rahel-Hirsch-Weg getänzelt sein.

Ein Test erblickt die Welt

Bevor wir zum Kern dieses kleinen Traktats vordringen können, muss ich noch etwas weiter ausholen und möchte mit der Frage beginnen: Was genau ist eigentlich in jenen ersten Tagen passiert? Erschöpfend wird man das wohl nie erfahren, aber die offizielle Erzählung geht in etwa so: Irgendwann im Dezember 2019 fiel einigen Ärzten in Wuhan, eine aus ihrer Sicht ungewöhnliche Häufung von Patienten mit sogenannten atypischen Pneumonien (viralen Lungenentzündungen) auf. Nach einigem Hin und Her und recht rabiaten Interventionen der chinesischen Provinzregierung, erreichte diese Information die WHO und dadurch kurze Zeit später auch die Weltöffentlichkeit.

Eigentlich handelte es sich bei den Häufungen nur um eine verhältnismäßig kleine Gruppe von 44 Patienten (bis 5. Januar). Man könnte meinen, in einer Stadt mit über acht Millionen Einwohnern und extrem hoher Luftverschmutzung, ist das gar nicht so ungewöhnlich im Winter. Vielleicht aber sind chinesische Ärzte aufgrund ihrer Erfahrung mit dem ersten SARS-Coronavirus besonders sensibel, was Lungenentzündungen anbelangt. Jedenfalls war spätestens zum Jahreswechsel die WHO alarmiert. Zwar kannte man angeblich am 5. Januar die Ursache der Pneumonien noch nicht, aber man konnte immerhin bereits vermelden, dass offizielle Stellen einen Wildtiermarkt in Wuhan als Ansteckungsort vermuteten, der zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen war. Überhebliches Geraune rumpelte daraufhin durch die westliche Presse — diese verdammten chinesischen Fledermausfresser!

Am 7. Januar teilten die chinesischen Behörden mit, dass ein neues, bis dato unbekanntes Coronavirus als Ursache der Lungenentzündungen gefunden worden war. Kurz darauf standen erste Sequenzen des viralen Genoms zur Verfügung, aus welchen sich schließen ließ, dass es sich um einen nahen Verwanden des aus dem Jahr 2003 bekannten SARS-Coronavirus handeln musste.

Das erregte natürlich auch die Aufmerksamkeit unseres Virengurus am Institut der Charité, und bereits am 13. Januar vermochte es ein kleines Team um Drosten, mit Unterstützung einiger Wissenschaftler aus Rotterdam, London und Hongkong und — man merke sich das — dem Inhaber der Berliner Biotech Firma TIB Molbiol, einen labordiagnostischen Test zum Nachweis des neuen Virus fertigzustellen, bei der WHO einzureichen und als Goldstandard zuzulassen. Ohne das Virus jemals “gesehen” zu haben, ohne eine echte Virusprobe zu besitzen, nur auf Basis von öffentlich zugänglichen Gensequenzen und mithilfe von Virusproben anderer SARS-ähnlicher Coronaviren (in diesem Fall aus europäischen Wolfsfledermäusen) und des alten Bekannten aus 2003. Das alles in der absolut rekordverdächtigen Zeit von nicht einmal acht Tagen? Immerhin, noch am 5. Januar wusste die WHO selbst schließlich nicht, was die Ursache der Pneumonien war. Wow! Also normalerweise bekommt man an einem deutschen Universitätsinstitut nicht einmal einen Antrag auf neues Druckerpapier in unter 14 Tagen genehmigt. Noch mal: wow!

Hollywood-Stoff. Ein Starvirologe, wie er nur aus Deutschland kommen kann. Von Beginn an trugen ihn alle Gazetten dieses Landes, mit großen weichen Samthandschuhen und dem unerschütterlichen Stolz echter Fans, bis in die letzten Hoheitsflecken des deutschen Infektionsschutzgesetzes. Spätestens mit der Publikation der ersten Eloge am 26. Februar wurde aus dem Star dann ein Superstar und die Republik lag ihm zu Füßen.

Zurück zu den Tests. Um die Bedeutung der Tests korrekt zu bewerten, ist es wichtig, zu verstehen, was der Test eigentlich ist, was er kann und was nicht.

Was kann der Test?

Der von Drosten et al. entwickelte Test (oder präziser, das Testprotokoll) — mittlerweile von einer unüberschaubaren Anzahl Unternehmen hergestellt, und weltweit in einer Vielzahl unterschiedlicher Varianten, auch anderer wissenschaftlicher Institute, von der WHO zugelassen — basiert auf dem sogenannten Realtime RT-PCR Verfahren, wobei die Abkürzung für Reverse Transcription Polymerase Chain Reaction (also Echtzeit Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion) steht.

Vereinfacht gesagt, vervielfältigt der Test bestimmte, das Virus eindeutig kennzeichnende Abschnitte der RNA (eine Kette von Basenpaaren), die in einer Probe „herum schwimmen“, indem er sie zuerst in ein Stückchen DNA übersetzt, diese dann mit einer fluoreszierenden Chemikalie markiert, um sie nach einer endlichen Anzahl an Vervielfältigungszyklen mit einer speziellen Apparatur optisch auswerten zu können. Der Test ist hochsensibel und kann schon geringste Mengen des gesuchten RNA-Abschnittes in einer Probe nachweisen. Die Methode selbst ist chemisch relativ kompliziert, technisch hingegen gut beherrschbar, dabei aber zeitaufwendig (es dauert ca. fünf Stunden vom Start des Tests einer Probe bis zum Vorliegen eines Ergebnisses). Der Erfinder des Verfahrens, Kary Mullis, hat hierfür 1993 den Chemienobelpreis erhalten. PCR-Tests (für unterschiedlichste RNA/DNA-Nachweise) gehören heute zum Tagesgeschäft diagnostischer Labore, und können sogar voll automatisiert in großtechnischen Diagnosestrecken durchgeführt werden.

Was kann der Test nicht?

Der Test kann keine intakten Viren nachweisen. Vor allen Dingen kann er nicht nachweisen, ob jemand am Virus erkrankt ist oder erkranken wird und noch weniger ist er im Stande nachzuweisen, ob jemand erkrankt war.

Die bloße Existenz des Virus, erst recht nur eines spezifischen Bruchstückes seiner RNA im Rachen- oder Nasenabstrich, sagt nichts über den Zustand des Probanden, bei dem die Probe genommen wurde. Der Test ist also für eine klinische Diagnose wertlos, da er keinerlei Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zulässt.

Die perfekte Welle

Vermutlich noch während unser Supervirologe im kalten Zitterlicht einer Neonröhre sein Papier für die WHO zusammenschrieb, sicherte das „kleine“ Berliner Pharmaunternehmen TIB Molbiol Syntheselabor GmbH eine schlagkräftige Kooperation mit dem Schweizer Pharmariesen Roche, für den weltweiten Vertrieb der Testkits (schließlich funktionieren diese perfekt mit Roches Diagnosegeräten), und in Berlin Tempelhof wurden die Produktionskapazitäten auf das Maximum gesteigert.

Dabei ist es sicher nur ein komischer Zufall, dass Olfert Landt, alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma, bei mindestens 22 wissenschaftlichen Arbeiten als Drostens Co-Autor auftaucht und die beiden seit 2003 in sagenhaften acht Fällen immer die Ersten waren, die weltweit passende Tests parat hatten. Darunter Pandemie-Hits wie: SARS, Vogelgrippe, Schweinegrippe, MERS, ZIKA und nun SARS-CoV-2. Die beiden sind quasi die Batman & Robin der Virologie.

Was auch immer die Charité dazu veranlasst hat, Prof. Drosten die Freiheit zu geben, patentreichlich schützenswertes Wissen für Lau einer „kleinen“ Berliner Pharmaklitsche zu schenken — zumal vom Steuerzahler finanziert. Die Maschinen liefen jedenfalls rund um die Uhr, Tag und Nacht, um die Tests — chemische Komponenten, in zwei profane Glasampullen abgefüllt — zu produzieren. Allein im Februar verdreifachte sich der Umsatz des Unternehmens im Vergleich zum Vorjahr und die Behörden in Wuhan konnten nun endlich jede und jeden testen, der Symptome einer Atemwegserkrankung aufwies. Wirklich jeden.

Doch warum eigentlich? Was genau veranlassten die WHO und die nationalen Gesundheitsbehörden, zunächst in China, später in Südkorea und irgendwann in fast jedem Land dieser Erde, mit nie da gewesenem Furor einem neuen Atemwegsvirus hinterher zu testen? Wieder einmal waren es die bewährten Zutaten Angst und Schrecken, die katalytisch auf die Entscheidungsträger einwirkten.

Genau wie 2009 hatten auch diesmal düsterste Annahmen, aus dem Handbuch für den virologischen Weltuntergang, die Sorgenfalten in die Gesichter der WHO-Bürokraten gezeichnet. Das neue Coronavirus sei eine Zoonose, daher hoch infektiös, weil es keinerlei Immunantwort unseres Körpers auf das Virus gebe und sehr aggressiv in Bezug auf Krankheitsverläufe und Letalität. Mit exponentiellem Wachstum könne eine tödliche Welle über die Welt hinweg rollen, sollte China nicht mit schärfsten Maßnahmen dagegenhalten.

Dazu passte dann auch die frühe Beobachtung aus Wuhan, dass durchaus Patienten, die mit schweren Symptomen aufgenommen wurden, verstarben.

Eine Jahrhundertpandemie zog am fernen, dunklen Horizont auf.

Täglich wurde die Anzahl der Tests gesteigert, binnen kürzester Zeit explodierten die Fallzahlen. Bilder überlasteter Kliniken aus Wuhan machten die Runde, grässliche Aufnahmen Infizierter, die vor lauter Schläuchen kaum mehr als menschliche Wesen auszumachen waren. Leichensäcke, erschöpftes medizinisches Personal, Close-ups des Grauens. Die Medien hyperventilierten. Immerfort steigende Fallzahlen, trieben den Angstschweiß auf die Stirn. Die Büchse der Pandora stand offen wie das berühmte Scheunentor.

Kein Halten mehr?

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte Drosten oder einer seiner über eintausend deutschen Virologenkollegen oder jemand bei der WHO oder irgendein anderer Mediziner auf diesem Planeten, der 2009 schon sein Studium abgeschlossen und nicht in einer Höhle gelebt hatte, vielleicht auch der Tiermediziner beim RKI oder die schlaumeiernden Hofakademiker beim Helmholtz-Zentrum, der Max-Planck-Gesellschaft oder der Leopoldina, hätte irgendjemand mit einem letzten Funken Verstand sich an das H1N1-Debakel erinnern müssen. Hätte rufen müssen: „Halt, Moment! Sind wir uns sicher, dass wir genau verstehen, was wir hier gerade beobachten?” Hätte nicht irgendeine bescheidene Akademikerseele irgendeinen internen Schenkelklopfer über H1N1 raushauen, ‘nen Euro ins Phrasenschwein geben und dann ganz nebenbei diesen Irrsinn stoppen müssen, noch bevor er überhaupt hätte Fahrt aufnehmen können? Im großen Land der Reichsbedenkenträger keiner, der auch nur den geringsten Zweifel hatte?

Oder gab es diese Stimme? Gab es vielleicht sogar mehr als nur einen vom Typ Stifte-im-Brusttaschen-Hemdschoner-Träger, der ganz genau wusste, dass man keine voreiligen Schlüsse ziehen sollte, weil bei zu vielen Unbekannten das Ergebnis jeder Grübelei nicht besser ist, als das berüchtigte Stochern im Nebel? Wollte man jene vielleicht gar nicht hören? Oder traute sich nur keiner, seine Stimme zu erheben, in einem von Zitatekartellen bestimmten Wissenschaftsbetrieb, in dem jegliche Form der Opposition leicht das Karriereende bedeuten kann? „Publish or perish“, lautet heute die wichtigste Karriereregel unter Akademikern, und was veröffentlicht wird, liegt nur allzu oft in den Händen von Institutsleitern und Lehrstuhlinhabern, wie C. Drosten.

Bezeichnenderweise sprach ausgerechnet die WHO selbst noch bis zum 11. März von einer “gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite”, bevor sie sich nach langem Zögern dazu durchrang, das Geschehen als Pandemie zu deklarieren. Über die Gründe hierfür zu spekulieren, soll nicht Gegenstand dieser kleinen Faktensammlung sein. Unbestreitbar ist, dass Drosten — in typisch grüblerischer Drosten-Manier — bereits am 13. Februar, bei einem gemeinsamen Vortrag der Charité und der London School of Hygiene and Tropical Medicine im Berliner Naturkundemuseum, von einer hohen Pandemiewahrscheinlichkeit sprach, wobei er gleichzeitig betonte, dass eigentlich nicht ausreichend Daten aus China vorlägen und sich das Virus eventuell auch gar nicht so leicht ausbreiten könne. Getreu seinem Motto: Man weiß nicht genug, es könnte alles noch gut werden, nur die Chancen dafür stehen ziemlich schlecht. Drosten ist so etwas wie das Überraschungsei unter den wissenschaftlichen Beratern. Drei Dinge auf einmal, gern auch zutiefst widersprüchliche? Mit Herrn Professor Drosten geht das.

Kein Halten mehr!

Falls es einen mutigen Kopf gab, der eilends ein diplomatisches, zurückhaltend formuliertes Memo an die geschätzten Kollegen in sein altes Uni-Laptop tippte, so wurde er nicht gehört. Der Wahnsinn nahm ungebremst seinen Lauf.

Die WHO und ihre weltweit vernetzten Supervirologen türmten immer neue, immer „verzweifelndere“ Annahmen über das Virus auf. Zur hohen Letalität und Infektiosität gesellten sich nun auch noch die scheinbar leichte Übertragung über Aerosole (kleinste Tröpfchen, die noch stundenlang in der Luft schweben können und durch bloßes Einatmen zur Infektion führen) und lange beständige Schmierinfektionen auf Oberflächen. Desinfektionsmittel waren ausverkauft, noch bevor die Deutschen ihre Liebe zum Toilettenpapier entdeckt hatten. Ein paar bestenfalls angstverwirrte Mitglieder der Gesellschaft, entwendeten Desinfektionsspender sogar aus Krankenhaustoiletten.

Mutmaßungsstudien

Dem Ganzen die Krone aufsetzend, veröffentlichte unser Starvirologe, gemeinsam mit über einem Duzend weiterer Experten ihres Fachs, Ende Januar eine Kurzstudie im renommierten New England Journal of Medicine, zu den Infektionsketten von vier Mitarbeitern beim deutschen Autozulieferer Webasto, die „nachwies“, dass SARS-CoV-2 auch durch sogenannte asymptomatische Probanden übertragen wird. Asymptomatisch, das sei hier kurz angemerkt, ist eine etwas verklausulierte Formulierung der Medizin für gesund. Eine bemerkenswerte und absolut außergewöhnliche Eigenschaft. Ein Atemwegsvirus, das von gesunden, lediglich testpositiven Personen übertragen wird, das gab es noch nie! Vor allen Dingen aber war diese Annahme besorgniserregend, da sie jeden konventionellen Versuch der Eindämmung, nahezu unmöglich erscheinen ließ. Kurz: Drosten und seine Paniktreiber waren sich sicher, dass auch gesunde Menschen ein wichtiger Übertragungsvektor sein können und sich dadurch dieses Killervirus still und leise über den ganzen Planeten ausbreiten würde. Stoff für einen abendfüllenden Horrorfilm. Die Studie machte Schlagzeilen.

Dumm nur, dass sich bereits wenige Tage später herausstellte, dass die Indexpatientin (also jene Chinesin, die vermeintlich ohne Symptome ihre Kollegen angesteckt hatte) sehr wohl krank gewesen war, mit Fieber und Gliederschmerzen eigentlich lieber zu Hause geblieben wäre, sich aber mit profanem Paracetamol aufgepäppelt hatte. So wie das Hunderttausende tapferere Arbeitnehmer, aus falsch verstandener Loyalität, jeden Winter tun. Die Botschaft aber war inzwischen in der Welt und nicht mehr aufzuhalten.

Ehrlich gesagt, ich habe irgendwann den Überblick verloren, was wann als gesichert galt. Fest stand nur eines: Fast jeden Tag wurde die Situation bedrohlicher, auswegloser, angsteinflößender.

Keine Welle ohne Sturm

Als Ende Februar dann eine erste Häufung von Fällen in Italien für Aufregung sorgte — inzwischen waren erschütternde Bilder aus dem Iran um die Welt gegangen und aus Südkorea sendeten die Medien Sequenzen, die eher einem Katastrophenfilm aus Emmerichs Feder entstammen mussten als der Wirklichkeit — da waren alle Voraussetzungen für den perfekten Sturm geschaffen. Ein Sturm, der die Infektionswelle über die Kontinente peitschen sollte. Presse und Medien waren inzwischen von einer kollektiven Panikattacke so gelähmt, dass ihnen jegliches journalistische Maß abhandengekommen war.

Die italienischen Behörden erhöhten hektisch ihre Testkapazitäten und Drosten fabulierte von Eloge zu Eloge in erratischem Gefasel über die Grenzen von Modellen, seine Wochenend-Studienlektüre, seine Bauchgefühle und was das alles für die Menschen in diesem Land bedeutete — oder eben auch nicht.

Der Informationsgehalt dieser nicht enden wollenden Couch-Gespräche ging gegen null. Aber wie einem Tamagotchi aus den Neunzigern, konnten die Deutschen ihrem Supervirologen bei Twitter das Händchen halten, während er in seinen Elogen die Kontenance verlor, ob der „dramatischen“ Aussichten. Inszenierungsjournalismus auf BUNTE-Niveau.

Die einzig erkennbare Konstante seiner Einlassungen, war sein gebetsmühlenartig vorgetragenes Mantra: „Testen, Testen, Testen!“ Kein Wunder, bedenkt man, dass seine Fachgebiete die RNA-Diagnostik und zoonotische Viren sind. Er mag ein ausgewiesener und hoch geschätzter Experte auf seinem Gebiet sein. Es darf eben nur niemanden wundern, dass jemand seiner fachlichen Prägung Testen bedeutend und neuartige Viren gruselig findet. Wenn man nur einen Hammer hat… ja, eine Binsenweisheit. Weniger wohlwollend könnte man natürlich auch von Betriebsblindheit sprechen. Ich persönlich bevorzuge allerdings den Terminus Fachidiot.

Ein Tsunami des Schwachsinns

Irgendwann Anfang März kippte die Balance des politischen Handelns endgültig auf die Seite des rasenden Aktionismus. Auf stetig steigende Fallzahlen reagierten die italienischen Behörden mit teils drastischen Maßnahmen, verhängten über zwei Provinzen harte Ausgangssperren, nur um bereits wenige Tage später erst weite Teile Norditaliens und nach nicht einmal 24 Stunden dann am 9. März ganz Italien in ein gigantisches Gefängnis zu verwandeln. Politische Entscheidungen von historischer Einmaligkeit. Die Menschen verzweifelten, die WHO lobte. Deutschland hatte inzwischen in Heinsberg sein eigenes „Epizentrum“.

Etwa zur selben Zeit muss der honorige Professor Sir Neil Ferguson (OBE) erhebliche Anstrengungen auf sich genommen haben, den Balanceakt zwischen den amourösen Abenteuern mit seiner hübschen Maitresse auf der einen Seite, und seiner weltuntergangvorhersagenden wissenschaftlichen Arbeit auf der anderen zu meistern. Ein kräftezehrender Spagat. Im ständigen Pendeln zwischen seinem Liebesnest in Zentrallondon und seinem Arbeitsplatz in einem der so modernen wie gesichtslosen Campusbauten der Medical School des Imperial College, einer der Top-Adressen für Medizinforschung weltweit, müssen er und seine Forschungsgruppe sich Tage und Nächte um die Ohren geschlagen haben, um ein Programm zum Laufen zu bekommen, das in seiner Qualität frühen Versionen von Word in nichts nachgestanden haben dürfte. Der kleine aber feine Unterschied: Wenn Word abstürzte, waren schlimmstenfalls einige Stunden Arbeit verloren. Ärgerlich, aber in den meisten Fällen verschmerzbar. An den Ergebnissen seines Simulationsprogramms sollten aber die Schicksale von Millionen Menschen hängen. Natürlich halten da kleinere Widrigkeiten, wie ein ständig abstürzendes Programm, unverständlicher, über fast fünfzehn Jahre gewachsener Programmcode, nicht vorhandene Tests und Dokumentation oder die banale Tatsache, dass die Anwendung nach jedem Durchlauf (bei dem es nicht schon vorher abstürzte) neue, unvorhersehbare Resultate lieferte, einen Professor von Weltruf nicht davon ab, eine umfassende Studie von geradezu apokalyptischer Tragweite zu veröffentlichen.

Am 16. März schüttete er Brennspiritus auf den Flächenbrand der Hysterie. Nicht flaschen- sondern kübelweise.

Zwischenergebnisse seines Zufallsgenerators waren dabei offenbar schon Wochen im Voraus an einen elitären Kreis politikberatender Wissenschaftler weitergegeben worden und hatten bereits weitreichenden Einfluss auf politische Entscheidungen genommen. Zitat aus der Studie: „Here we present the results of epidemiological modeling which has informed policymaking in the UK and other countries in recent weeks.“ Ein Vorgang von geradezu entlarvender Eitelkeit. Zu welchem Zweck lassen sich renommierte Akademiker zu solch einer kleingeistigen Pose herab, wenn nicht dem der schlichtgemütigen Ego-Pflege? „Seht her ihr bedeutungslosen Arschgeigen, wir hier beraten die Regierungen dieser Welt!“ Unverhohlener Größenwahn in Reinstform.

Auch Drosten berichtete schon im Februar von besorgniserregenden Ergebnissen seiner Kollegen vom Imperial College. Ferguson, selbst weder Mediziner noch klassischer Epidemiologe (er ist promovierter Physiker), gab offenkundig den Virologenflüsterer.

Die Ergebnisse seiner Studie lösten einen echten Paniktsunami aus: Allein in UK würden sich 81 % der Bevölkerung infizieren, bevor eine sogenannte Herdenimmunität erreicht wäre, also die Infektion auf natürlichen Weg zu ihrem Ende käme. 510.000 Tote in Großbritannien, 2,2 Millionen in den USA. Ein Bedarf von 275.000 Intensivbetten bis Mitte Mai, nur auf den Britischen Inseln. Gleichzeitig!

Drosten geht in seiner mittlerweile berüchtigten Eloge Nr. 16 auf die Ergebnisse jener Studie ein. Da erklärt er frei von der Leber weg, dass es sich nun einmal um ein Modell handele und, ja, dass gerade diese Modelle in der Vergangenheit schon durchaus mal ganz schön peinlich daneben gelegen haben. Aber das läge nur daran, dass man früher nicht gut habe schätzen können. Heute schätze man eben besser und darum müsse man davon ausgehen, dass das alles schon richtig so sei.

Ich rate eindringlich vom Selbststudium dieses unsäglichen Nonsens ab, ohne vorher einen Zustand absolut seelischer Ausgeglichenheit hergestellt zu haben.

Was Drosten gänzlich unerwähnt lässt, ist, dass nicht man früher daneben gelegen hat, sondern dass exakt jenes Imperial College London mit exakt jenem Prof. Ferguson mit allen — ja allen — ihren Prognosen der jüngeren Vergangenheit um Größenordnungen daneben gelegen hatte. Schweinegrippe? Ein Debakel. Vogelgrippe? Der totale Reinfall. BSE? Eine Luftnummer. Maul- und Klauenseuche? Sechs Millionen Schafe, Rinder und Schweine wurden allein in Großbritannien gekeult, weil man das Leben Hunderttausender Briten gefährdet sah. Zehn Milliarden Pfund hat der Wahnsinn am Ende gekostet, weniger als 200 Briten starben. Gegen diese dünne „Erfolgsserie“ wirken selbst die notorisch fehlprognostizierenden deutschen Wirtschaftsweisen wie das Orakel von Delphi.

Dennoch, die Steilvorlage des renommierten Professors aus London, ließen sich die Experten der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie nicht nehmen. In Windeseile produzierten sie eine Stellungnahme, welche die Anmutung einer Studie hatte, und im Wesentlichen die Ergebnisse des Imperial College selbstverständlich auch für Deutschland bestätigte. Am 20. März veröffentlichten sie jenes Papier, das in puncto Inhaltsleere und Unwissenschaftlichkeit kraftvoll noch tief unter das Niveau der früher gern von adoleszenten Nerds gelesenen P.M. zielte. Zwei Seiten dünner Text, drei Quellen, eine ganze Reihe vollkommen aus der Luft gegriffener Annahmen und eine dreiseitige Litanei wissenschaftlich anmutender Grafiken. Mehr Zeit war wohl nicht, aber das war für den Zweck auch unerheblich. Konnte es doch nur darum gegangen sein, den Apokalypse-Prognosen der Londoner Studie eine deutsche Stütze zu geben, um das, was drei Tage später in Deutschland folgen sollte, mit einer stabilen wissenschaftliche Untermauerung zu halten. Ich will mich, an dieser Stelle, nicht mit den irren Details dieses Papiers auseinandersetzten, möchte aber ein Highlight nicht vorenthalten, wobei ich darauf verzichte es länglich zu kommentieren.

In einer der vielen lustigen bunten Grafiken zeichnet das Papier ein Worst-Case-Szenario, in dem der Bedarf von ca. 1,75 Millionen Intensivbetten angenommen wird. Deutschland hat eine Kapazität von 25.000–30.000 und gehört damit zu den Spitzenreitern intensivmedizinischer Versorgung weltweit. Das gut Sechzigfache!

Gute Modellierer kennen den auf Simulationen bezogenen Merksatz: „Garbage in, garbage out.“, kurz GIGO. Gemeint ist damit, dass fehlerhafte Annahmen immer zu fehlerhaften Ergebnissen führen, weshalb besonders der Extrapolation der Annahmen eine besondere Bedeutung zukommt. Preußisch verknappt, kann man auch sagen: „Scheiße rin, Scheiße raus.“ Ein Umstand, der bei SARS-CoV-2 von Anfang an sträflich vernachlässigt wurde.

Am Ende machten wir dann die Kurve flach, die Demokratie kaputt, riegelten Spielplätze ab, als seien es Giftmüllgruben, sperrten Schulen, Kirchen, Freibäder und Bibliotheken, Stadien und Theater, Museen und Opernhäuser, schickten die Polizei in unsere Parks, die Menschen nach Hause und die Wirtschaft auf Talfahrt.

Drosten kann noch mehr

Während die Menschen nicht mehr wussten, wie es weitergehen soll, erklommen unser guter Prof. Drosten und die fabelhafte Charité das nächste Level im akademischen Ränkespiel. Am 22. März sonnte sich Bundesforschungsministerin Frau Karliczek in der Aureole unseres Starvirologen. Fleißig lobte sie das neueste Brain-Child unseres Virologen-Genies und seines Klinikchefs, das Nationale Netzwerk der Universitätsmedizin: „Die Initiative von Professor Kroemer und Professor Drosten kann bei der Bewältigung der Pandemie und damit bei der Behandlung von vielen schwer Erkrankten eine ganz wichtige Schlüsselrolle einnehmen. Diese Initiative ist einmalig in dieser Ausnahmesituation für unsere Gesellschaft.“

Einmalig ist in der Tat die gewaltige Summe von 150 Millionen Euro Steuergeldern, die der Bund, vorbei an den Vergaberegularien der Deutschen Forschungsgesellschaft DFG, in dieses Projekt pumpt. Um die Dimension zu verstehen: 750 Millionen Euro hat die DFG üblicherweise im gesamten Jahr zu vergeben. Die Charité übernimmt im neu gegründeten Netzwerk praktischerweise gleich die Rolle der Koordinatorin, sitzt im Steuerungsgremium und bekommt die Mehrheit der Führungsrollen.

Das ist, als gebe man dem Scheuer Andi die Budgethoheit über den Bundeshaushalt. Da würden dann eben zwischen München und Nürnberg 10-spurige Autobahnen gebaut und Verbrennungsmotoren von der Steuer befreit.

Andere Universitäten waren — völlig überraschend — „not amused“ und ärgerten sich ein klitzekleines bisschen über diesen akademischen Schildbürgerstreich.

Während Millionen Menschen das Wasser inzwischen bis zum Hals reichte, ging es für unseren Supervirologen steil bergauf.

Theorie und Wirklichkeit

Seit Mitte März befindet sich dieses Land in einer Art Trance. Der brave Bürger trägt jede Entscheidung mit, solange sie bedeutet, dass das Killervirus ihn und die seinen verschont. Hoffnungsvolles und ohnehin spärliches Aufflammen der Vernunft wird seither rasch im Keim erstickt. Beliebige Anordnungen, egal wie arbiträr oder bizarr, werden anstandslos und demütig auf dem gekrümmten Rücken der Masse mitgetragen.

Es ist die Mühe nicht wert, zu Fragen, was seit jenen Tagen im März passiert ist, denn alles war legitimiert durch den Schutz vor einem todbringenden Virus. Der Souverän war dankbar. Mehr brauchte es nicht, um den Wahnsinn bis in die Tiefen dieser Tage zu tragen.

Viel wichtiger ist es, mit vollen Händen den Saum des Vorhangs dieses Schmierentheaters zu packen und nach Kräften soweit zu heben, dass helles Licht die dahinter verborgene Welt erleuchtet.

Fassen wir also die geradezu atemberaubende Expertise zusammen, die uns zu diesem einmaligen sozioökonomischen Experiment verleitet hat, das man uns als neue Normalität verkauft, bevor wir uns anschließend mit ihren wichtigsten Punkten auseinandersetzen wollen.

Man nahm also an, SARS-CoV-2

  1. ist um ein Vielfaches tödlicher als die Grippe,
  2. ist hochansteckend, weil eine Zoonose (von einem Wildtiermarkt in Wuhan),
  3. wird zwischen 60 % und 80 % der Weltbevölkerung infizieren,
  4. verbreitet sich über Aerosole und Schmierinfektion und kann asymptomatisch übertragen werden,
  5. trifft auf keinerlei Immunantwort und
  6. unterliegt keinen saisonalen Einflüssen.

Die Experten waren sich angeblich einig, dass SARS-CoV-2 um ein Vielfaches gefährlicher und tödlicher ist, als die regulären Grippe-Viren (allen voran Influenza), und dass das Gesundheitssystem vollständig zusammenbrechen werde.

Da es keinen wirksamen Impfstoff gab (und wahrscheinlich auch lange nicht geben wird) und auch keine bekannten Medikamente zur Behandlung von Covid-19 (der vom Virus verursachten Krankheit), blieben nur sogenannte NPI (Nicht-Pharmazeutische-Interventionen), um die Last für das Gesundheitssystem zu senken. So jedenfalls die Logik der Experten und die Erzählung der Politik. Die wichtigsten NPI sollten dabei sein:

Absage von Großveranstaltungen,

  1. Schließung von Schulen und Kindergärten,
  2. Ausgangssperren (euphemistisch wahlweise als Ausgangsbeschränkung oder Kontaktsperre bezeichnet) und
  3. später dann: Abstand halten und Maskenpflicht.

Ich möchte im Folgenden versuchen, mich den wichtigsten Fragen zu Viruseigenschaften und beschlossenen Maßnahmen anzunähern, soweit es mein bescheidenes Wissen zulässt.

Der meiner Meinung nach wichtigste Aspekt, ist die Überprüfung der Wirksamkeit jener NPI. Hat der ganze Zirkus überhaupt irgendetwas gebracht? Denn falls nicht, müssen andere Gründe zu einem Rückgang der Infektionen geführt haben. Natürliche Gründe. Daraus ließen sich nicht nur wichtige Schlüsse über die Eigenschaften des Virus ableiten, sondern auch zum vermeintlich alternativlosen Handeln unserer hochgeschätzten Amts-, Würden- und Funktionsträger.

Zuvor noch zwei Anmerkungen.

Erstens. Unter Statistikern wird die Arbeit mit Fallzahlen (also testpositiven Fällen) sehr kritisch gesehen, da sie zu großen Teilen von der Testaktivität abhängt, und damit außerordentlich fehlerbehaftet ist. Für sich genommen, ist mit reinen Fallzahlen nur eine sehr eingeschränkte vergleichende Betrachtung epidemischer Verläufe möglich. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn länderübergreifende Vergleiche angestellt werden sollen. Für Betrachtungen der Verläufe in einem einzigen Land kann es durchaus zulässig sein, Fallzahlen zu betrachten, soweit sich das Testregime im Verlauf der Epidemie nicht gravierend verändert hat.

Geeigneter als Fallzahlen sind Sterbefälle, da diese etwas sicherer gezählt werden. Zwar sind auch hier erhebliche Unsicherheiten zu berücksichtigen, wie die Tatsache, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht klar ist, ob ein Patient mit oder an SARS-CoV-2 gestorben ist, und auch diese von der Testaktivität abhängig sind. Aber in Bezug auf den epidemischen Verlauf können diese Unschärfen hier eher vernachlässigt werden, als der Testeinfluss bei den Fallzahlen.

Zweitens. Es ging bei allen Maßnahmen immer nur darum, zu verhindern, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Leben zu retten, war nie ein erklärtes Ziel. Zumal — unter normalen Umständen — unerreichbar. Da Maßnahmen, wie räumliche Distanzierung, nur temporär aufrechterhalten werden können, kann der natürliche Infektionsverlauf eines Virus (wie auch immer dieser aussehen mag) nie dauerhaft verhindert werden. Zumindest dann nicht, wenn die Maßnahmen nicht bis in alle Ewigkeit beibehalten werden sollen. Es ging stets nur darum, “die Kurve flach zu halten“.

Am besten geeignet, die Be- oder Überlastung des Gesundheitssystems zu ermitteln, wäre die Zahl sogenannter Hospitalisierungen (also klinisch behandelter Patienten) zu vergleichen. Da diese Zahlen aber in vielen Ländern gar nicht oder nur sehr unzuverlässig erhoben worden sind, messen wir die Wirksamkeit der Maßnahmen über Sterbefallzahlen, da diese letztlich indirekte Auskunft über die Belastung des Gesundheitssystems geben. Wobei man dabei immer berücksichtigen muss, dass es sich auch hierbei nicht um eine einfache Korrelation handelt. Virusbezogene Sterbefälle können zum Beispiel überproportional steigen, wenn ein Gesundheitssystem an die Grenze der Belastbarkeit kommt oder durch unzureichendes Monitoring untererfasst werden.

Hatten NPIs einen Nutzen?

Da die Lockdowns/Shutdowns/Ausgangssperren der schwerwiegendste Eingriff waren, möchte ich mich zunächst darauf konzentrieren. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, die Wirksamkeit zu überprüfen.

  1. Man vergleicht den jeweiligen Verlauf und die Folgen der Pandemie in verschiedenen Ländern mit und ohne Ausgangssperren. Länder mit Ausgangssperre sollten einen deutlich anderen Verlauf und weniger schwerwiegende Folgen zeigen.
  2. Man beobachtet den epidemischen Verlauf und die Maßnahmen in Deutschland. Da es drei sehr distinkte Ereignisse gab (Verbot von Großveranstaltungen, Schulschließungen, Ausgangssperren), sollten sich nachlaufend auch positive Auswirkungen auf den epidemischen Verlauf zeigen.
  3. Man vergleicht den epidemischen Verlauf mit dem erwarteten Verlauf nach epidemiologischen Standardmodellen (nicht gemeint sind hier die Prognosemodelle von Ferguson usw.).

(a) Vergleich verschiedener Länder

Tatsächlich sollte man annehmen, dass Länder, in denen Ausgangssperren verhängt wurden, besser davon gekommen sind, als Länder, in denen nichts oder nur sehr wenig gemacht wurde. Welchen Sinn sollte der ganze Wahnsinn sonst gehabt haben?

Glücklicherweise gab es Länder, die nur sehr milde oder gar keine Maßnahmen im Sinne sozialer Distanzierung ergriffen haben. Am bekanntesten sind sicher Schweden, Weißrussland und Japan. Aber auch die Niederlande hatten nur für kurze Zeit harte und später ausgesprochen lockere NPI beschlossen. Darüber hinaus gab es in den USA einige wenige Staaten, wie South Dakota, die gar keine Ausgangssperren hatten oder, wie Georgia oder Florida, die sehr schnell ihre Beschränkungen wieder aufhoben.

Vergleich der Sterberaten nach deklarierten Maßnahmen

Der amerikanische Mathematiker und Statistiker William Briggs, einer der wenigen Akademiker, die nicht anonym zum Thema Stellung beziehen, hat in einem ausführlichen Blogbeitrag vom 14. Mai versucht, der Frage mit Hilfe statistischer Korrelation nachzugehen, und kommt zu dem recht klaren Ergebnis: „Es gibt keinen Beweis, dass Lockdowns Leben gerettet haben. Es ist unbestreitbar, dass sie großen Schaden angerichtet haben“.

Für das folgende Histogramm hat Briggs die Sterberaten von 215 Ländern ausgewertet. Dabei wurden die Länder in zwei Gruppen geteilt. Länder, die irgendwann einmal einen Lockdown verhängt hatten (Orange) und Länder ohne Lockdown (Grün). Auf der x-Achse ist die Sterberate pro Millionen Einwohner aufgetragen. Vorsicht, die Achse ist logarithmisch, weil die Varianz so enorm ist! Die y-Achse zählt einfach die Anzahl Länder für die jeweilige Sterberate.

Quelle: William Briggs (https://wmbriggs.com/post/30833/)

Es zeigt sich ein uneindeutiges Bild. Ein positiver Trend für Länder mit Ausgangssperre ist beim besten Willen nicht zu erkennen, eher das Gegenteil.

In einem zweiten Schritt hat sich Briggs gefragt, ob diese simple Betrachtung deswegen nicht hinreichend korreliert, weil unterschiedliche Bevölkerungsdichten einen übersteuernden Einfluss haben. Er hat hierfür nachfolgendes Diagramm für Länder mit mindestens einer Million Einwohner erstellt.

Quelle: William Briggs (https://wmbriggs.com/post/30833/)

Doch auch hier offenbart sich eine extreme Varianz bei den Sterberaten und keinerlei positive Korrelation. Hätten Lockdowns wirklich funktioniert, müsste sich wenigstens ein Trend zugunsten der Lockdown-Länder zeigen.

Vergleich der Sterberaten mithilfe von Google Mobility-Daten

Ein Statistiker, der auf Twitter anonym unter dem Account el gato malo (die böse Katze) Ergebnisse seiner Untersuchungen veröffentlicht, ist das Ganze noch etwas detaillierter angegangen. Das Problem bei Briggs’ Betrachtungen ist, dass völlig unklar ist, in welcher Ausprägung Ausgangssperren verhängt wurden und, noch wichtiger, wie strikt sich die Bevölkerung daran gehalten hat.

In einem Thread geht er (oder sie) detailliert auf Methoden und Ergebnisse ein. Das Interessante dabei ist, dass die Auswertungen auf Google Mobility Daten beruhen. Über das Betriebssystem Android und Dienste wie Google-Maps auf Mobilgeräten, kann Google (insofern vom Anwender erlaubt) anonymisierte Bewegungsdaten sammeln. Während der Coronakrise hat Google angefangen, die Daten zeitlich begrenzt zur Verfügung zu stellen, um zu messen, wie stark Bevölkerungsgruppen in bestimmten Bereichen des täglichen Lebens auf die Restriktionen reagierten.

Sollten Ausgangssperren eine Wirkung haben, müssten Länder mit starker Veränderung bei den Mobilitätsdaten (gleichbeutend mit starker Einschränkung des öffentlichen Lebens) auch deutlich bessere Ergebnisse hinsichtlich der Sterbefälle aufweisen. Wie schreibt es der Autor so schön: „Man kann durchaus Korrelation ohne Kausalität haben. Aber Kausalität ohne Korrelation, das ist zutiefst unwahrscheinlich.“

Im folgenden Diagramm ist auf der x-Achse die Varianz der Mobilitätsdaten aufgetragen, auf der y-Achse die Anzahl Todesfälle pro Million Einwohner.

Quelle: https://twitter.com/boriquagato

Das Ergebnis ist für die Theorie einer Schutzwirkung durch Ausgangssperren vernichtend. Tatsächlich scheint es eher so zu sein, dass härtere Ausgangssperren deutlich mehr Sterbefälle zur Folge hätten.

Nachfolgendes Diagramm prüft denselben Zusammenhang auf Ebene der US-Bundesstaaten.

Quelle: https://twitter.com/boriquagato

Auch hier, die entgegengesetzte Korrelation.

Der Autor (die Autorin) unterzieht seine Ergebnisse auch noch weiteren Tests. So ließ sich ausschließen, dass härtere Maßnahmen mit höheren Fallzahlen zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahmen zusammenhingen (also der Schwere des Ausbruchs), und daher höhere Sterbefälle verzeichnet wurden. Darüber hinaus wurde die Vorhersagefähigkeit eines normierten statistischen Modells für die Sterbefälle geprüft, mit negativem Ergebnis. Ich empfehle ausdrücklich den oben verlinkten Thread für mehr Details.

Das Ergebnis auch dieser Untersuchung: Ausgangssperren haben keinerlei positiven Effekt auf den Verlauf der Epidemie. Sind harte Ausgangssperren eventuell sogar ursächlich für mehr Sterbefälle? Möglich. Es gibt eine starke Korrelation. Ein Beweis ist eine Korrelation aber noch nicht. Hierfür müsste intensivere Ursachenforschung betrieben werden.

Direkter Vergleich der Sterbefälle zwischen Ländern unterschiedlicher Maßnahmen

Viel ist in den vergangen Tagen und Wochen über das „gescheiterte“ Modell Schweden gefaselt worden. Allen voran die Panikexperten Lauterbach und Drosten aber auch der bayerische Demagoge Maggus palavern immer wieder von den fatalen Folgen der schwedischen Entscheidung, keine Ausgangssperre zu verhängen und die Schulen weitestgehend geöffnet zu lassen.

Schweden ist natürlich deswegen interessant, weil es eben keine Ausgangssperren oder weitreichenden Schulschließungen, keine Maskenpflicht und anderen dystopischen Unsinn gab. War die Entwicklung Schwedens noch bis Ende März nicht einmal unterscheidbar von der in Deutschland, begannen die Sterbefallzahlen im April übermäßig stark zu steigen. Darauf verweisen die Lockdown-Hardliner wieder und wieder.

Insgesamt hat Schweden 75 % seiner Todesfälle in der Altenpflege zu beklagen, über 90 % dieser Fälle sind über 70 Jahre alt. Am schwersten „getroffen“ wurde die Region Stockholm. Ein Bild, das sich weltweit gleicht. Auch die Krisenregionen in der Lombardei oder in New York zeigen eine ganz ähnliche Verteilung der Sterbefälle, mit sehr hohen Anteilen in der Altenpflege.

Wie in den meisten Ländern mit hohen Sterberaten ist es den Schweden also vermutlich nicht gelungen, die Alten- und Pflegeheime ausreichend zu schützen.

Aber wie schlimm sieht es denn nun wirklich in Schweden aus, im Vergleich zu anderen Ländern?

Da die Zählung von Covid-19 Sterbefällen mit erheblichen Unsicherheiten belastet ist, und auch der Ausweis von Exzess-Mortalität (Übersterblichkeit) über eng begrenzte gemittelte Zeiträume, in Form einer Standardabweichung, wenig aussagekräftig ist, kann man einfach die Gesamtsterblichkeit eines bestimmten Zeitraumes mit dem gleichen Zeitraum anderer Jahre vergleichen.

In der Gesamtsterblichkeit wird nichts gemittelt, es wird auch nicht nach Todesursachen unterschieden, sondern es werden schlicht alle Totenscheine gezählt und aufsummiert. In den meisten Ländern übernehmen das die zentralen Statistikbehörden oder Gesundheitsämter. Ein Einfluss von Covid-19 müsste in diesen Zahlen deutlich zu sehen sein.

Für genau jenen Daten hat ein schwedischer Statistiker einige sehr aufschlussreiche Grafiken erstellt.

Vergleicht man beispielsweise die Gesamtsterblichkeit der skandinavischen Länder seit 2007, jeweils für den Zeitraum KW 40 — KW 23, erhält man folgendes Bild (hier genormt auf je eine Million Einwohner).

So sieht also die katastrophal gescheiterte schwedische Strategie aus? Die Gesamtsterblichkeit im Vergleich zum Vorjahr ist leicht erhöht, aber im Kontext der vergangenen Dekade alles anderer als auffällig.

Die angeblich so viel besser abschneidenden skandinavischen Nachbarn, geben so betrachtet ein eher durchschnittliches Bild ab, ohne jede Auffälligkeit. Überhaupt sieht 2020 nicht signifikant anders aus, als die meisten Jahre zuvor. Völlig unabhängig davon, ob Dänemark einen Lockdown hatte und Schweden nicht.

Man könnte auch Schweden einfach nur mit sich selbst vergleichen. Nachfolgend die Entwicklung der Gesamtsterblichkeit für den Zeitraum KW 40 — KW 23, für die letzten 20 Jahre, angepasst an die Bevölkerungsentwicklung.

Gab es 2011 einen Lockdown oder 2012? Vielleicht 2014?

Hier noch ein weiterer Vergleich der kumulierten Sterbefälle, pro eine Million Einwohner, der nordischen Länder, von der KW 1 2020 bis zur KW 22.

Schweden gescheitert? Wirklich? Das Problem scheint eher zu sein, dass allen voran deutsche Politiker und Experten, gern den direkten Vergleich mit Deutschland ziehen, um zu zeigen, wie erfolgreich die deutsche Strategie angeblich war. Nur lassen sie dabei wohlwissentlich außer acht, dass auch die „normale“ Grippesaison nicht in allen Ländern gleich verläuft, sondern diese mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen trifft. Es ist für die Grippe geradezu charakteristisch, dass ihre Viralität teils erheblich schwankt, von Jahr zu Jahr und von Land zu Land.

Darüber hinaus wird deutlich, dass es auch bei der Erfassung und Zuordnung der Sterbezahlen ein großes Problem gibt. Denn wenn die Gesamtsterblichkeit nicht dramatisch gestiegen ist, dann hat Covid-19 entweder alle anderen Todesursachen verdrängt, oder viele, als Covid-19 Tote gezählte, sind in Wirklichkeit an etwas anderem gestorben. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.

Außerdem, wenn Schweden — wie insinuiert — gescheitert ist, wie kommt es dann, dass selbst unter der Annahme, dass Schwedens Covid-19 Sterbefälle korrekt sind, diese insgesamt eher im europäischen Mittel liegen? In jedem Fall besser als zum Beispiel Frankreich, Belgien, Spanien, Italien oder Großbritannien, alles Länder mit harten Ausgangssperren.

Beim Blick auf die Gesamtsterblichkeit (siehe die beiden Grafiken oben) lassen sich kaum Unterschiede ausmachen, was doch deutlich zeigt, dass die Zurechnung von Corona-Toten alles andere als eindeutig und ggf. nicht besonders gut vergleichbar ist.

Werfen wir abschließend noch einmal einen vergleichenden Blick auf den Verlauf der Epidemie (gemessen in täglich neu bestätigten Sterbefällen je eine Million Einwohner).

Die positive Wirkung der Lockdowns ist deutlich zu erkennen. Oder?

Ich möchte es an dieser Stelle mit der länderübergreifenden Betrachtung belassen. Ich denke, es ist mehr als deutlich, dass in der vergleichenden Perspektive (a), Ausgangssperren, egal wie streng, keinerlei sinnvolle Wirkung zugeschrieben werden kann.

(b) Auswirkung der NPI in Deutschland

Eine weitere interessante Perspektive ist die Frage nach der Messbarkeit der NPI in Deutschland. Hier hat es drei sehr distinkte Ereignisse gegeben, deren Auswirkung sich direkt in der epidemischen Entwicklung zeigen sollte. Es gab (i) das Verbot von Großveranstaltungen am 9. März, (ii) bundesweit Schulschließungen ab dem 16. März und schließlich (iii) Ausgangssperren am 23. März.

Interessant ist die Betrachtung für Deutschland vor allen Dingen auch deshalb, weil sich hier bereits weitreichende Schlüsse, auf Basis der vom RKI veröffentlichten Daten ziehen lassen.

In seinem Bulletin Nr. 17, vorab erschienen am 15. April, veröffentlichte das RKI erstmals eine Schätzung zum Verlauf der sogenannten Nettoreproduktionszahl R. Die Grafik sah so aus:

Ich denke die meisten können sich noch daran erinnern. Ein Offenbarungseid der deutschen Krisenpolitik, zeigte sie doch, dass bereits am 16. März R stark am Absinken, und bereits vor dem 23. März unter den Wert 1 gesunken war. Einfach gesagt, die Maßnahmen waren für die Katz.

Sofort nach Erscheinen der Grafik entbrannte natürlich auch eine öffentliche Diskussion über die Validität der Grafik. Was ist R? Kann man das so berechnen? Ist das nicht alles falsch? Es muss alles falsch sein! Bei Lanz & Co. redete man sich die Köpfe heiß. Das ganze Elend des deutschen Journalismus stellte sich — wieder mal — zur Schau.

Da beim RKI aber neben dem Tiermediziner noch eine erkleckliche Zahl weiterer Doktortitelträger beschäftigt ist, die das natürlich nicht auf sich sitzen lassen konnten, ergänzten sie die Finalversion des Bulletins Nr. 17 um einen siebenseitigen Anhang, der ausführlich erklärt, wie R berechnet wurde.

Das Problem ist, wie eingangs schon erläutert, dass Fallzahlen eine extrem ungenaue Datenbasis sind. Das hatten die Damen und Herren beim RKI auch irgendwann erkannt. Die dort eingehenden Fälle sind ja in der Regel nicht (oder besser gesagt nie) erst am Tag der Meldung aufgetreten, sondern viele Tage vorher. Da aber der Infektionszeitpunkt entscheidend ist, um den epidemischen Verlauf exakt zu beschreiben, begann das RKI irgendwann die Fallzahlen zu verbessern, indem nicht das Meldedatum in der Statistik berücksichtigt wurde, sondern — falls bekannt — der Tag des ersten Auftretens von Symptomen (der Tag, an dem der Patient das erste Mal beim Arzt war). Falls das Datum nicht bekannt ist, wird — soweit möglich — der Erkrankungsbeginn künstlich geschätzt bzw. modelliert (imputiert). Im verlinkten Bulletin wird das Verfahren ausführlich erläutert.

Wie sieht also der epidemische Verlauf dargestellt mit den RKI-korrigierten Fallzahlen aus?

Quelle: Robert Koch-Institut

Bereits am 18. März war der Gipfel der Erkrankungswelle erreicht, wobei sich das Wachstum selbst (also der Anstieg der Kurve) schon um den 12. März herum verlangsamt (siehe Grafik weiter unten).

Berücksichtigt man nun noch, dass für Covid-19 eine Inkubationszeit von mindestens 4 Tagen (4–7 werden am häufigsten genannt) angenommen werden muss, verschiebt sich der gesamte Verlauf noch einmal um wenigsten vier Tage nach links. Damit läge dann der Höhepunkt der Erkrankungswelle bereits am 14. März. Die verordneten Maßnahmen können keinen messbaren Einfluss gehabt haben.

Noch interessanter wird die Betrachtung, bedenkt man, dass das RKI von KW 10 bis KW 12 die Anzahl durchgeführter Tests fast verdreifacht hat. Dass hier also eine stark ansteigende Kurve auch in den Fallzahlen zu sehen ist, dürfte vor allem auf die wachsende Zahl Tests zurückzuführen sein.

In folgender Grafik zeigt sich noch einmal etwas deutlicher der Verlauf von R, über die täglichen Fallzahlen gelegt.

Quelle: Robert Koch-Institut

Betrachtet man die aktuelle Grafik des RKI, aus dem Covid-19 Lagebericht vom 4. Juni, zeigt sich noch deutlicher der Verlauf mit Höhepunkt am 12. März (16. März- 4 Tage).

Quelle: Robert Koch-Institut

Ein in diesem Zusammenhang häufig vorgebrachtes Argument ist, dass diese Betrachtungsweise ja noch kein Beweis für eine natürliche Begrenzung der Epidemie sei. Vielmehr hätten eventuell auch die Verhaltensänderungen der Menschen (verbesserte Hygiene, freiwilliges Meiden von Menschenansammlungen, vorsichtigerer Umgang mit erkrankten Mitmenschen), vor dem Beschluss der Beschränkungen, zu den Effekten geführt.

Dazu zwei Anmerkungen.

Erstens. Das wäre erst recht ein Argument gegen Schulschließungen, Ausgangssperren und so weiter. Denn wenn schon das einfache Händewaschen und etwas vorsichtigerer Umgang genügt hätten, wozu dann noch grundgesetzwidrige Notverordnungen verhängen?

Zweitens. Es dürften dann die epidemischen Kurven nicht in allen Ländern, unabhängig von den getroffenen Maßnahmen, ähnlich aussehen.

Ich weiß, wir hatten die Ländervergleiche schon abgehakt, aber hier eine interessante Grafik zu R für Schweden, Großbritannien und Deutschland, jeweils auf die gleiche Weise berechnet.

Wahrscheinlich liegt es an mir, dass ich Schwierigkeiten haben, die Wirkung der Maßnahmen zu erkennen.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass dieser Lesart widersprechend, eine Gruppe deutscher Akademiker eine umfangreiche Gefälligkeitsstudie im Fachjournal Science publiziert hat, deren alleiniger Zweck es war, die Wirksamkeit der NPI in Deutschland zu belegen. Das Papier war dabei von derart herausragender Qualität, dass es nach substanziellen Änderungen, angeregt durch öffentliche Kommentare der wissenschaftlichen Gemeinschaft, seine ursprüngliche Aussage letztlich im Prinzip auf den Kopf stellte.

Das Papier wurde von sieben akademischen Hochkarätern erstellt, durchweg in Lohn und Brot bei in Göttingen ansässigen Forschungseinrichtungen. Allen voran der Universität Göttingen, sowie einem Ableger der Max-Planck-Gesellschaft und einem Ableger des Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Bei so viel Staatsforschungskompetenz hätte man natürlich auch gleich jemanden aus dem Innenministerium mit Doktortitel nehmen können, nur wäre dabei dann natürlich der akademische Nimbus etwas zu kurz gekommen. Außerdem soll es da in letzter Zeit Probleme bei der Steuerung des Informationsflusses im Haus gegeben haben, da hat man wohl gerade andere Sorgen.

Die Unvoreingenommenheit der Forscher zeigt sich schon an den Auftritten der Physikerin und Co-Autorin Viola Priesemann, die keine Gelegenheit ausgelassen hat zu betonen, wie wichtig Ausgangssperren waren und stets gegen eine verfrühte Lockerung argumentierte.

Die Herangehensweise der Wissenschaftler bei der Erarbeitung ihrer Studie ist dabei fast schon unanständig. Die Mathematik selbst und die eingesetzten Werkzeuge mögen korrekt und ausgeklügelt sein. Davon gehe ich einfach aus, wenn eine solche Arbeit bei einem renommierten Fachmagazin wie Science erscheint. Nur, als Datenbasis werden schlicht Fallzahlen verwendet, ohne anzuerkennen (geschweige denn zu berücksichtigen), dass diese allein von der Testaktivität abhängen. Der Punkt für sich genommen genügt eigentlich schon, das Papier infrage zu stellen.

Darüber hinaus haben die Autoren in der ersten Fassung noch nicht einmal die RKI-Korrekturzahlen (nach Tag des Erkrankungsbeginns), sondern einfach Fälle nach Meldedatum verwendet. Das fällt für solche Hochkaräter schon in den Bereich der Unredlichkeit. Geradezu irre ist jedoch, dass die Experten nicht etwa versucht haben, am tatsächlichen Verlauf ihre Beweiskette aufzubauen, das wäre — wie oben dargelegt — wohl auch gleich zum Scheitern verurteilt gewesen. Stattdessen wird mit komplizierter Mathematik ein SEIR-Prognosemodell mit gefilterten Daten gefüttert und über den Vergleich unterschiedlicher Modellierungsläufe wird dann „gezeigt“, dass es korrelierend mit den Maßnahmen, Veränderungen des Infektionsverlaufes gab. Man nennt das auch: Daten foltern, bis sie gestehen. GIGO, erinnern sie sich noch?

Das Ganze verpackt in eine wissenschaftliche Arbeit, die so voll mit theoretischer Mathematik, beeindruckenden Grafiken und langem, schwer verständlichen Fließtext ist, dass man nur den Eindruck gewinnen kann, hier soll vom eigentlichen Problem abgelenkt werden, nämlich, dass man schon mit einfacher statistischer Analyse (siehe RKI) sehen kann, dass die Maßnahmen keinerlei messbaren Einfluss hatten. Wie bei guten Zauberern wird mit viel Effekt und Bühnennebel der Eindruck echter Magie erweckt. Genau wie man im echten Leben als Zeuge magischer Ereignisse nach dem Trick hinter dem Vorhang fragen sollte, darf bei so viel akademischem Geschirrklimpern, der Blick auf den holen Kern der Arbeit nicht verloren gehen.

(c) Epidemischer Verlauf

Kommen wir zur Dritten, ebenfalls sehr interessanten Perspektive (c) und der Frage: Wie verläuft die Covid-19 Pandemie im Vergleich zu epidemiologischen Standardmodellen? Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Modelle meint hier ausnahmsweise nicht jene unsäglich präzisen Vorhersagemodelle, wie die aus London, sondern theoretische Modelle der Epidemiologie, die typische epidemische Verläufe beschreiben. Interessanterweise beschäftigen sich Mediziner mit der Frage nicht erst seit gestern. Tatsächlich werden Epidemien schon seit fast zweihundert Jahren statistisch beobachtet. Bereits 1840 formulierte William Farr, ein britischer Epidemiologe und einer der Begründer der Medizinstatistik, eine Beobachtung, die heute als „Farrs Law“ (also Farrs Gesetz) bezeichnet wird. Ihm war aufgefallen, dass epidemische Ereignisse nach einem symmetrischen Muster anwachsen und anschließend wieder abflachen. Während einer Pockenepidemie konnte er zeigen, dass der epidemische Verlauf in bester Näherung eine Normalverteilung bzw. einer Glockenkurve folgt. Später konnte er dies auch für weitere Epidemien anderer Krankheiten nachweisen.

Heute ist man im Stande, den Verlauf noch etwas präziser zu beschreiben. So folgen beobachtete Infektionsenwellen nicht einer einfachen Glockenkurve, sondern einer sogenannten Gompertz-Kurve (benannt nach dem britischen Mathematiker Benjamin Gompertz, der ebenfalls im 19. Jahrhundert wirkte). Ereignisse, die einer Gompertz-Funktion folgen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie langsam starten und enden, dabei jedoch das Abflachen weitaus länger dauert, als das Anwachsen. Man sagt auch, es ist eine asymmetrisch Sättigungsfunktion.

Quelle: https://fr.wikipedia.org/wiki/Loi_de_Gompertz

Obige Grafik (dem französischen Wikipedia-Artikel zur Gompertz-Funktion entnommen) zeigt verschiedene Wachstumskurven, die der Gompertz-Funktion folgen. All diesen Kurven ist gemeinsam, dass ihr Wachstum ab einem bestimmten Zeitpunkt nahezu vollständig zum Erliegen kommt, und dass sie nicht symmetrisch verlaufen (gut an der grünen Kurve zu sehen).

Die nächste Grafik zeigt dazu passend den Verlauf der sogenannten Verteilungsdichte, also den Anteil, um den die oben gezeigte Kurve im zeitlichen Verlauf wächst.

Quelle: https://fr.wikipedia.org/wiki/Loi_de_Gompertz

Bezogen auf eine Epidemie entspricht die erste Grafik der Gesamtsumme aller Fälle über die Zeit und die zweite Grafik dem Verlauf der täglichen Neuinfektionen.

Ich denke, es ist noch in lebhafter Erinnerung, dass eine der wichtigsten Begründungen für die Kurveflachmachenübung die war, dass Covid-19 exponentiell wachse und daher binnen kürzester Zeit das blanke und unbeherrschbare Chaos toben würde.

Diese Behauptung war — in dieser Simplizität — immer falsch. Es hat sich noch nie irgendein Krankheitserreger dauerhaft exponentiell ausgebreitet. Das wusste bereits William Farr im 19. Jahrhundert. Das muss also selbst epidemiologischen Schlichtgemütern von Anfang an klar gewesen sein. Bei genuiner exponentieller Ausbreitung von SARS-CoV-2 wäre bei den anfangs behaupteten Wachstumsraten nach ein paar Wochen die gesamte Weltbevölkerung infiziert gewesen. Die Frage konnte also eigentlich nur sein, wie lange sich das Virus exponentiell ausbreiten würde, bis sich die Ausbreitung verlangsamte. An dieser Stelle kommt nun Gompertz ins Spiel. Eine Besonderheit dieser Wachstumsfunktion ist nämlich die faszinierende Tatsache, dass die Wachstumsrate anfangs zwar durchaus exponentiell sein kann, aber die Rate selbst auch von Anfang an exponentiell fällt. Ja, richtig gelesen. Die Wachstumsrate fällt exponentiell!

Der in Stanford forschende Chemienobeltreisträger Michael Levitt, war Ende Januar in großer Sorge um Freunde, die in Hongkong lebten und verängstigt nach Wuhan blickten. Sie baten ihn um eine Einschätzung der Lage. Levitt machte sich sofort an die Arbeit und näherte sich dem Problem mit dem Werkzeug, das er am besten beherrschte, der Mathematik. Er wollte herausfinden, ob sich vorhersagen lässt, wie sich die Krankheit in China ausbreiten würde, also mit wie vielen Erkrankten und Toten am Ende zu rechnen sei. Er ist kein Virologe oder Epidemiologe, also versuchte er sich unvoreingenommen in das Thema einzuarbeiten. Schnell stieß auch er auf die symmetrische logistische Funktion (die Glockenkurve des Herrn Farr) im Allgemeinen und die Gompertz Funktion im Speziellen. Rasch erkannte er, dass sich die Infektionswelle in China präzise mit der Gompertz-Funktion beschreiben ließ. Er war selbst überrascht. Nachdem er seine Beobachtung eine Weile gegen die Wirklichkeit getestet hatte, schwanden seine anfänglichen Zweifel.

Quelle: http://twitter.com/MLevitt_NP2013

Ende Februar gab er der China Daily News ein Interview, in dem er erklärte, dass in China die Epidemie ihren Höhepunkt bereits überschritten habe, und prognostizierte in etwa 80.000 Fälle und 3.250 Tote für China.
Am Ende (Stand Juni) hatte China ca. 84.000 Fälle bei 4.600 Toten zu verzeichnen. Eine bemerkenswert präzise Vorhersage, zu einem Zeitpunkt, da andere in zunehmende Panik verfielen. Denn genau das wollte Levitt verhindern. Unnötige Panik. Er wollte Rationalität zurück ins Spiel bringen und zeigen, dass kein Grund für übereiltes Handeln bestand, sondern genug Zeit wäre, besonnene Maßnahmen zu erarbeiten, um den vulnerablen Teil der Bevölkerung zu schützen.
Allein, niemand hörte auf ihn. Dabei wäre seine Arbeit für jeden Epidemiologen leicht nachvollziehbar gewesen. Dazu benötigte er kein kompliziertes, 15.000 Zeilen langes, vollkommen kaputtes Simulationsprogramm, sondern solides statistisches Handwerk. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Quelle: http://twitter.com/MLevitt_NP2013

Levitt hat aber nicht mit China aufgehört. Von nun an konnte er nicht anders, als wieder und wieder zu prüfen, ob seine Beobachtung stimmte. Inzwischen hat er und eine kleine Gruppe wissenschaftlicher Mitarbeiter, an seinem Institut in Stanford, intensiv Infektionsverläufe einzelner Länder untersucht. Wieder und wieder mit dem gleichen Ergebnis. Stets folgen sie ganz natürlich der Gompertz-Funktion.

Levitt versucht nicht, darüber zu spekulieren, was der Grund hierfür ist, aber er kann zeigen, dass für die meisten Länder der Verlauf absolut ähnlich ist.

Die wichtigste Erkenntnis dabei: Lockdowns bzw. Kontakt- oder Ausgangssperren waren zu keinem Zeitpunkt erforderlich. Es bestand nie die Gefahr, dass die Epidemie durch lang anhaltendes exponentielles Wachstum, tsunamiegleich ein Land überrollte.

Levitt hat auf seinem YouTube-Kanal ein paar kurze Videos zum Wesen epidemischer Ausbreitungen gemacht, in denen er kurz und prägnant die Mathematik erklärt.

Michael Levitt ist unser Kronzeuge. So wie er, hätten auch zahlreiche andere Epidemiologen spätestens Anfang März erkennen müssen, dass sich die Annahme über eine fortschreitend exponentielle Ausbreitung in Wirklichkeit nicht halten lässt, und Regierungen wären gezwungen gewesen, ihre zerstörerischen Strategien anzupassen, um größeren Schaden zu vermeiden. Zwei Wochen später erst, Mitte März, sollte Ferguson seine Sammlung irrwitziger Prognosen veröffentlichen. In einer intakten Welt hätte das gar niemanden mehr interessiert.

WHO-Studie zu NPI

Zum Potpourri der aberwitzigen Umstände dieser Epidemie gehört auch die Tatsache, dass die WHO selbst noch im Herbst 2019 eine Studie veröffentlichte, welche die Wirksamkeit von NPI für Influenza-Pandemien untersuchte und dabei zu verhältnismäßig klaren Aussagen kommt. Für demokratische Staaten vollkommen abwegige Maßnahmen, wie Ausgangssperren oder Kontaktverbote der gesamten Bevölkerung, wurden gar nicht erst in Erwägung gezogen.

Während die Isolation nachweislich Erkrankter im Verlauf schwerer Pandemien für einen kurzen Zeitraum von 5 bis 7 Tagen empfohlen wird, fällt das Urteil zu darüber hinausgehenden Maßnahmen eindeutig aus. Bei der Frage, ob möglicherweise dem Virus ausgesetzte Personen unter Quarantäne gestellt werden sollten, lautet die Einschätzung: „Eine Hausquarantäne von exponierten Personen, zur Reduzierung der Übertragung wird nicht empfohlen, da es keine offensichtliche Begründung für diese Maßnahme gibt und es erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung geben würde.“ („Home quarantine of exposed individuals to reduce transmission is not recommended because there is no obvious rationale for this measure, and there would be considerable difficulties in implementing it.“).

Soweit die Einschätzung der WHO noch im Oktober 2019. Wohlgemerkt explizit im Rahmen einer Untersuchung auf Maßnahmen bei schweren Influenza-Pandemien (wozu ja auch die Spanische Grippe gehörte).

Darüber hinaus hält das Papier noch andere Schmankerl bereit, wie die generelle Ablehnung von Contact-Tracing oder der Empfehlung, Änderungen des Schultages bis hin zu Schließungen nur bei sehr schweren Pandemien und für eine streng limitierte Zeit in Erwägung zu ziehen, da auch hier die erwartete Wirkung mäßig und die Last für Familien hoch ist.

Überhaupt fällt auf, dass, anders als die meisten Regierungen dieser Welt, bei allen von der WHO untersuchten Maßnahmen, ethische Implikationen und Umsetzbarkeit in einer freien Welt, eine wichtige Rolle spielen.

Anderseits, es wäre nicht die WHO, wenn die Studie nicht auch ihre Widersprüchlichkeiten enthielte. So empfiehlt das Dokument unter bestimmten Bedingungen das Tragen von Gesichtsmasken auch für asymptomatische Menschen (vulgo Gesunde) bei schweren Pandemien, auch wenn „es keine Beweise gibt, dass dies bei der Reduzierung der Übertragung wirksam ist“.

Es ist schlicht unergründlich, was sich bei der WHO von Oktober 2019 bis März 2020 geändert hat.

Resümee

Haben die Ausgangssperren etwas gebracht? Es gibt dafür keinerlei belastbare Belege.

Es spielt an dieser Stelle für den Moment auch keine Rolle, was dazu geführt hat, dass die Infektionen zurückgegangen sind oder warum sich eine umgekehrte Korrelation zwischen harten Ausgangssperren und Morbidität und Mortalität zeigt.

Fakt ist — und das ist es, was nach dem popperschen Prinzip der Falsifizierbarkeit einzig und allein entscheidend ist — dass es als widerlegt angesehen werden kann, dass es die Maßnahmen waren, die zum Erfolg geführt haben. Wie sonst sollte man den Umstand deuten, dass Morbidität und Mortalität häufiger dort gestiegen sind, wo besonders harte und lang anhaltende Maßnahmen ergriffen wurden?

Ist Covid-19 gefährlicher als die Grippe?

Die Letalität einer Krankheit zu bestimmen, bei der ein Großteil der Opfer nicht an der Krankheit selbst stirbt (wie bei Tollwut oder Ebola), ist ausgesprochen schwierig. Selbst bei der eigentlich gut erforschten Influenza gibt es keine einfachen, direkt erfassten Angaben, sondern basieren die Sterblichkeitsangaben stets auf Schätzungen. Man muss sich bewusst machen, dass in Deutschland (wie im Prinzip überall auf der Welt) nicht jeder Patient, der mit Erkältungssymptomen zum Arzt geht oder in ein Klinikum aufgenommen wird, auf Influenza untersucht wird. Ganz im Gegenteil. Die Influenzaprävalenz (genauer die Prävalenz aller bekannten Atemwegsviren) wird von der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) über ein Netzwerk sogenannter Sentinelpraxen erfasst (über 600 in Deutschland), die regelmäßig Proben von Patienten mit Atemwegserkrankungen an das Nationale Referenzzentrum (NRZ) des RKI senden, wo diese dann auf unterschiedliche Atemwegsviren untersucht werden. Über die testpositiven Proben wird die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung hochgerechnet.

Dabei ist es bei Weitem nicht so, dass Influenza die Hauptursache für virale Atemwegserkrankungen ist. Das Center for Evidence-Based Medicine, angesiedelt an der englischen Oxford University, erläutert in einem aufschlussreichen Artikel das Ergebnis einer Untersuchung nach der Frage, welche Viren grippeähnliche Erkrankungen (ILI = Influenza-like illness) verursachen. Influenza ist demnach nur für 11 % aller Fälle verantwortlich. In 67 % der Fälle war der Erreger gänzlich unbekannt. Zur Erinnerung: Nur gegen Influenza gibt es eine Impfung und diese ist, aus unterschiedlichen Gründen, weder sonderlich erfolgreich noch wird sie in Deutschland in der Breite angewendet.

Quelle: https://www.cebm.net/covid-19/covid-19-understanding-the-unknown-in-acute-respiratory-infections/

Wir wissen überraschend wenig, über die Ursachen von Atemwegserkrankungen.

Case Fatality Rate CFR (Fallsterblichkeit)

Um über die Gefährlichkeit einer Krankheit zu sprechen, ist es erforderlich ein paar Begriffe zu einzuführen. Die Tödlichkeit einer Infektion lässt sich mithilfe unterschiedlicher Indikatoren ausdrücken. Häufig verwendet wird die CFR (Case Fatality Rate) oder Fallsterblichkeit. Die CFR wird ermittelt, indem alle — hier an Covid-19 — Verstorbenen durch die Anzahl der bekannten Fälle geteilt werden. Eine ausgesprochen grobe Schätzung, da die allermeisten Covid-19-Infektionen im Verlauf der Epidemie gar nicht erfasst werden. Patienten mit milden Verläufen gehen nicht zum Arzt oder werden schlicht nicht getestet. Bei der absoluten Mehrheit der Infizierten (70 % nach einer aktuellen Studie aus Italien) verläuft die Infektion vollkommen symptomfrei.
Dazu kommt, dass vor allen Dingen zu Beginn einer Epidemie, aus Mangel an Testkapazitäten und Infrastruktur, nur die besonders schweren, oft klinisch behandelten Fälle erfasst werden, was die CFR deutlich höher erscheinen lässt, als sie letztendlich ist. Wer schon klinisch behandelt werden muss, ist natürlich einem höheren Sterberisiko ausgesetzt, als jemand, der einfach nur mit einem Schnupfen zu Hause bleibt.

Außerdem zeigt sich bei der Berechnung der CFR für Covid-19 ein bereits angesprochenes Problem: Es ist vollkommen unklar, wie genau Covid-19 Todesfälle erfasst werden. In Deutschland wurde nach Aussage des RKI jeder als Covid-19 Todesfall registriert, der testpositiv verstorben war, ganz gleich was die tatsächliche Todesursache war. Im Extremfall wäre es vorstellbar, dass das Opfer eines schweren Autounfalls bei der Aufnahme in eine Klinik positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, und obwohl es anschließend seinen Unfallverletzungen erlag, in der Coronastatistik landete.

Infection Fatality Rate IFR (Infektionssterblichkeit)

Deutlich besser zur Beurteilung der Letalität geeignet, ist die IFR (Infection Fatality Rate), die Infektionssterblichkeit. Hier wird die Anzahl aller Infizierten durch die Anzahl der Todesfälle geteilt.

Um die Ermittlung belastbarer Infektionsraten drehen sich gerade viele Diskussionen. Die Frage ist nämlich: Wie lässt sich im Nachhinein zuverlässig ermitteln, wer sich bereits mit dem Virus angesteckt hat? Das beste Mittel hierfür schienen Antikörpertests zu sein. Dabei suchen diese Tests nach spezifischen, durch das Immunsystem gebildeten Antikörpern im Blut, die speziell gegen SARS-CoV-2 gerichtet sind, nachdem man sich damit angesteckt hat.

Dabei gibt es aber gleich mehrere Unwägbarkeiten. Zum Einen sind die Tests nicht besonders sensitiv, das heißt, selbst beim Vorhandensein von Antikörpern, erkennen die Tests nicht alle Fälle. Darüber hinaus dauert es unter Umständen bis zu 14 Tage nach Infektionsende, bis sich eine Antikörperkonzentration über der Nachweisgrenze im Blut gebildet hat. Noch interessanter ist aber die Tatsache, dass offenbar nicht alle Infizierten überhaupt Antikörper auf SARS-CoV-2 ausbilden. Konnte das Virus nämlich schon durch unser angeborenes (unspezifisches) Immunsystem in den Schleimhäuten oder auch im Blut unschädlich gemacht werden, kommt es gar nicht erst zur Antikörperbildung.

In Ermanglung besserer Indikatoren basieren dennoch die meisten Studien zur Ermittlung der IFR auf sogenannten Seroprävalenzuntersuchungen, also auf Stichprobentests auf Antikörper.

Ist die IFR eine sinnvolle Maßzahl? Zur Vergleichbarkeit mit anderen Krankheiten oder Saisons, ja. Für die individuelle Risikobewertung, nein. Denn wenn eine Krankheit wie Covid-19 nur für bestimmte Risikogruppen lebensbedrohlich ist, dann muss das Sterberisiko und die Infektionssterblichkeit für einzelne Risikogruppen auch ganz individuell berechnet werden.

Wie gefährlich sind Influenza-Viren?

Für den Vergleich mit der Grippe ist es natürlich unerlässlich zu verstehen, wie gefährlich (oder ungefährlich) Grippeerkrankungen selbst sind.

Oft liest man zur IFR der Influenza Angaben wie 0,1 %. Also einer von tausend Infizierten stirbt an Influenza. Berücksichtigt man, dass jeden Winter geschätzt 4–8 Millionen Menschen in Deutschland von einer Influenzainfektion betroffen sind (manchmal auch mehr, manchmal weniger), dann folgt daraus, dass bei einer IFR von 0,1 % auch jeden Winter zwischen 4.000 und 8.000 Menschen an Influenza sterben. Ein rascher Blick in die historischen Daten zeigt, dass diese Annahme für etliche Jahre auch durch die Schätzungen des RKI bestätigt wird.

Allerdings, in einem Bericht zur Influenza-Sterblichkeit für die Jahre 1984–2013 weist das RKI für manche Grippesaisons auch niedrigere, und für andere Saisons wiederum signifikant höhere Sterbefallraten aus. Für die Grippesaison 2012/2013 beispielsweise 28.900 Tode.

Bemerkenswert ist die Saison 2011/2012. Mit geschätzt 7.400 Toten wirkt die Saison zwar nicht außergewöhnlich, aber für die gesamte Saison wurden nur 2,1 Millionen Erkrankungen (Exzess-Konsultationen) angenommen. Das ergäbe eine grobe IFR von 0,35 %! Außerdem trat auch sie erst spät im neuen Jahr auf. Folgender Absatz ist dabei besonders aufschlussreich:

„Interessant ist die Saison 2011/2012. Obwohl die Grippewelle der Saison mit nur ca. 2,1 Millionen Exzess-Konsultationen als nicht sehr stark wahrgenommen worden war, erscheint die Zahl von 7.400 (konservativ geschätzt 2.500) Verstorbenen als relativ hoch. Vor dem Hintergrund der Übermittlung mehrerer Altenheimausbrüche mit jeweils einem oder mehreren Todesfällen (Saisonbericht 2011/2012, S. 289) ist eine mögliche und plausible Hypothese, dass das zirkulierende Virus zwar nicht zu hohen Erkrankungsraten in der Gesamtbevölkerung geführt hat, jedoch gerade bei älteren Menschen im Falle einer Erkrankung besonders häufig zu schweren und tödlichen Verläufen.“

Es lohnt sich, auch aktuelle RKI-Saisonberichte zur Influenza zu konsultieren. Der Bericht für das Jahr 2018 weißt für die Saison 17/18 bei geschätzt 9 Millionen Infektionen ca. 25.000 Grippetote aus! Eine IFR von 0,27 %. Für die Saison davor 22.900 Tote bei knapp 6 Millionen Fällen. Eine IFR von 0,38 %.

Quelle: Robert Koch-Institut

Halten wir fest: Influenza ist eine alles andere als harmlose Krankheit. Eine wichtige Erkenntnis beim Studium der RKI-Berichte ist auch, dass die Letalität der Influenza von Jahr zu Jahr starken Schwankungen unterliegt und sich zeigt, dass pauschale Aussagen zur Tödlichkeit von viralen Atemwegserkrankungen eher irreführend sind, weil eine Vielzahl von Rahmenbedingungen hierbei eine Rolle zu spielen scheinen.

Wie gefährlich ist SARS-CoV-2?

Weltweit werden derzeit Seroprävalenzstudien durchgeführt, unter anderem mit dem Ziel eine zuverlässige IFR zu ermitteln. Der renommierte Biostatistiker John Ioannidis, Professor an der Stanford University, errechnet in einer Metastudie vom 8. Juni, die 23 andere Studien (vorwiegend aus „Epizentren“ der Pandemie) auswertet, eine IFR im Bereich von 0,02 % — 0,78 % wobei der Median-Wert bei 0,25 % liegt. Für Menschen unter 70 liegt der Median der IFR bei 0,04 %.

Die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC (Center for Desease Control) gibt nach aktuellen Schätzungen einen Wert von 0,4 % für symptomatische Fälle (hier symptomatic case fatality ratio genannt) und einen Wert von 0,2 % — 0,3 % als IFR an.

Wie gefährlich sind andere Coronaviren?

Prof. Bhakdi hatte bereits Anfang April darauf hingewiesen, dass zur Bewertung der Gefährlichkeit des Virus eine Baseline-Studie erforderlich wäre, die in einem klinisch kontrollierten Umfeld prüft, wie viel mehr Todesfälle oder Hospitalisierungen SARS-CoV-2 verursacht, als andere Coronaviren. Bis dato fehlt eine groß angelegte Studie nach diesem Prinzip.

Allerdings verwies bereits Prof. Ioannidis in seinem frühen Artikel bei STATNEWS darauf, dass auch von anderen Coronaviren bekannt ist, dass diese in bestimmten Kohorten zu hohen Mortalitätsraten (hier 8 % bei einem Ausbruch in einem kanadischen Altenheim) führen können.

Wo sind die Influenza Toten?

Nach aktueller Schätzung des RKI haben in Deutschland zwischen der KW 40/2019 und KW 17/2020 ca. 4,5 Millionen influenzabedingte Arztkonsultationen stattgefunden. Das liegt in etwa im selben Bereich wie in der Saison davor. In jener Saison 2018/2019 waren bei knapp 4 Millionen Fällen geschätzt zwischen 4.000 und 8.000 Menschen gestorben (es gab allein 954 labordiagnostische bestätigte Todesfälle, genaue Zahlen zur Mortalität liegen noch nicht vor).

Da also in diesem Jahr die Anzahl der Konsultationen in etwa genauso hoch war wie in der Vorsaison, kann in grober Näherung davon ausgegangen werden, dass auch in dieser Saison 4.000–8.000 Menschen in Deutschland an der Influenza gestorben sind.

Nun sollen aber zusätzlich noch ca. 9.000 Menschen an Covid-19 gestorben sein. Müsste man das nicht in einer deutlichen Übersterblichkeit erkennen?

Euromomo weist europaweit die Übersterblichkeiten als Standardabweichung vom 5-Jahresmittel aus. Für Deutschland werden nur die Bundesländer Berlin und Hessen erfasst.

In nachfolgender Grafik kann man die Übersterblichkeit der besonders schweren Grippesaison 2017/2018 (aber auch 2016/2017) gut erkennen. Ein Unterschied zwischen 2018/2019 und 2019/2020 ist hingegen nicht auszumachen. Ist es möglich, dass viele der heute als Covid-19 registrierten Todesfälle gleichzeitig auch Influenza-Todesfälle sind? Verschwunden sein können sie nicht, und dass die Übersterblichkeit nicht gestiegen ist, gibt Rätsel auf. Oder sind viele der dieses Jahr als Influenza-Patienten (Exzess-Konsultationen) geschätzten, in Wirklichkeit Covid-19 Patienten gewesen? Egal wie man es deutet. SARS-CoV-2 scheint, gesamthaft betrachtet, nicht signifikant gefährlicher zu sein, als manche Influenza-Viren.

Abschließend noch ein Vergleich der Gesamtsterblichkeiten in Deutschland, mit Daten des Statistischen Bundesamtes, für die Jahre 2018 bis 2020 (soweit die Daten aktuell vorliegen). Unten im Diagramm sind die Corona-Todesfälle eingezeichnet. Achtung, die Grafik beginnt im Januar. Meist startet die Grippesaison aber schon in KW 40/41 des Vorjahres.

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir 2018 über Lockdowns oder Schulschließungen gesprochen haben. Ich glaube, es war nicht einmal Aufmacher in den Leitmedien, dass die Kliniken kurz vorm Kollaps standen.

Resümee

Ja, Covid-19 ist gefährlich für bestimmte Risikogruppen, insbesondere ältere Menschen mit Vorerkrankungen (in Italien hatten 96 % der Verstorbenen Vorerkrankungen).

Dabei bewegt sich die Infektionssterblichkeit in etwa im Bereich der Grippe.

Der größte Unterschied zwischen Influenza und Covid-19 ist die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche, im Gegensatz zur Influenza, Covid-19 so gut wie gar nicht zum Opfer fallen. Das Medianalter der Verstorbenen liegt in fast allen Ländern jenseits der 80 Jahre.

Quelle: https://swprs.org/studies-on-covid-19-lethality/#age

In Deutschland sind mit Stand 25. Juni mehr Menschen über 90 gestorben (1.676) als unter 70 (1.272). Und das in einem Land, in dem die durchschnittliche Lebenserwartung bei 81 Jahren liegt. Der Anteil der unter 70-Jährigen beträgt nur 18 %. Genau drei Menschen verstarben im Alter unter zwanzig. Alle hatten laut RKI Vorerkrankungen.

Quelle: Robert Koch-Institut

Die Behauptung, SARS-CoV-2 sei viel gefährlicher als die Grippe, ist nicht haltbar. Vielmehr steht zu befürchten, dass Panikreaktionen und Einzelmaßnahmen in bestimmten Regionen (z. B.: Zwangsumbettung von Covid-19-Patienten aus Kliniken zurück in Altenheime in New York und der Lombardei oder möglicherweise tödliche Fehlbehandlung durch unnötige Invasivbeatmung in New York, um nur einige geradezu erschütternde Beispiele zu nennen) zu einer erheblichen Sterblichkeit geführt haben, die es ohne die teils hysterischen Interventionen wahrscheinlich nicht zu beklagen gäbe.

Sind wir SARS-CoV-2 schutzlos ausgeliefert?

Was den guten Prof. Drosten und seine Clique von Panikmachern von Anfang an zutiefst beunruhigte war die Tatsache, dass unser Immunsystem keinerlei passende Immunantwort auf das neue zoonotische Virus haben würde.
Auf dieser zentralen Annahme fußte ein Großteil der Horrorszenarien. 60 bis 80% Infektionsdurchdringung bis zur Herdenimmunität, hohe Infektiosität, hohe Letalität. Das blanke Grauen.

Es gab nur ein Problem. Spätestens Ende Februar, Anfang März hätte die Beobachtung des epidemiologischen Geschehens stutzig machen müssen, wie schon in den Anmerkungen zu Michael Levitt gezeigt.

Auch die verhältnismäßig große Anzahl milder Erkrankungsverläufe, teilweise bis zur kompletten Symptomlosigkeit sowie das fast vollständige Fehlen kranker Kinder, ließ Fachärzte für Immunologie aufhorchen. Es gab dabei durchaus Immunologen, die öffentlich Zweifel anmeldeten, aber denen hat man vorsichtshalber schnell den Aluhut aufgesetzt. Grenzte im Prinzip ja schon an Gotteslästerung, was da von manch promoviertem Hasardeur zu hören und lesen war.

Unser Immunsystem ist das Ergebnis des hochkomplexen Zusammenwirkens zu großen Teilen unverstandener, molekularbiologischer und quantenmechanischer Prozesse. Es darf bezweifelt werden, dass der Virologe Drosten oder der Veterinärmediziner Wieler, oder irgendjemand anderes im Dunstkreis der erlauchten Hofmediziner, Wissen über die Funktionsweise unseres Immunsystems hat, das über das Niveau ihres Pflichtcurriculums hinausgeht. Ich weiß, eine steile These. Ich selbst verstehe davon in etwa so viel, wie von der Steuerung der Sojus-Kapsel. Aber wie sonst ist es zu erklären, dass Drosten seine These hauptsächliche auf die Annahme fehlender Antikörper stützte — zumindest öffentlich — und niemand widersprach? Dabei hatten Drosten und seine Mitstreiter schon bei der Schweinegrippe übersehen, dass es erhebliche Kreuz- bzw. Hintergrundimmunität gegen das neue H1N1 Virus gegeben hatte (Eloge Nr. 42).

Fehlende Immunität?

Mittlerweile haben einige Arbeiten zum Thema Erstaunliches zutage gebracht.
In einer aktuellen Studie der Uni Tübingen wird nachgewiesen, dass 81 % untersuchter Blutproben aus den Jahren 2007–11/2019 eine T-Lymphozyten-Antwort auf SARS-CoV-2 zeigen, ausgelöst durch den Kontakt mit anderen endemischen Coronaviren. T-Helferzellen sind ein wichtiger Baustein unseres Immunsystems. Ähnlich wie Antikörper können auch T-Helferzellen mit einer Spezialisierung auf bestimmte Pathogene (insbesondere Viren) „trainiert“ sein und so, als T-Gedächtniszellen, eine beschleunigte Immunantwort ermöglichen. Die Tatsache, dass T-Helferzellen gleichermaßen das „neue“ SARS-CoV-2 Virus erkennen, deutet darauf hin, dass es große strukturelle Gemeinsamkeiten im Bau des „neuen“ und der bekannten humanpathogenen Coronaviren gibt. Zahlreiche weitere Studien, unter anderem eine der Charité Berlin an der unter den 30 Autoren auch ein gewisser C. Drosten mitgewirkt haben soll, belegen ähnliche Befunde.

Darüber hinaus scheint auch die Immunreaktion der Schleimhäute (mukosale Immunität) SARS-CoV-2 bereits sehr effektiv abwehren zu können.

Beide Tatsachen verwässern auch die Aussagen der Seroprävalenzstudien, bei denen typischerweise nach den Antikörpern IgM und IgG gesucht wird. Wurde der Erreger bereits durch die Schleimhäute oder durch T-Helferzellen eliminiert, kommt es eventuell gar nicht erst zur Bildung von Antikörpern im Blut.
Praktisch alle IFR-Schätzungen, die auf Seroprävalenzstudien beruhen, sind damit immer noch zu schlecht.

An dieser Stelle soll der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben, dass damit auch jeglicher Versuch, einen verfassungswidrigen Immunitätsausweis einzuführen, scheitern muss. Wenn ein Großteil des ohne Komplikationen dem Virus ausgesetzten Teils der Bevölkerung keine Antikörper bildet, wie sollte dann in solchen Fällen ein Immunitätsnachweis erfolgen?

Ein neues Virus?

Eine aktuelle Studie der Universität Calgary hat die phylogenetische Entwicklung (also die genetische Abstammungsgeschichte) des Virus untersucht. Anlass war, dass man sich wunderte, dass das Virus offenbar an einen bestimmten Rezeptor (ACE2) bei menschlichen Zellen (zum Beispiel in Zellen der Atemwege) perfekt angepasst ist. Ein Rezeptor, den auch andere humanpathogene Coronaviren zum Eindringen in Zellen verwenden.

Mithilfe „detaillierter phylogenetischer Analysen, Ahnensequenz-Rekonstruktionen und Molekulardynamik-Simulationen“ konnte man zeigen, dass das Virus „wahrscheinlich seit mindestens 2013 eine hohe Affinität für menschliche Zellziele besitzt.“ Das Virus ist also so neu wie der „kaum gefahrene“ Vorführwagen beim Gebrauchtwagenhändler aus erster Hand.

Und weil es beim Gebrauchtwagenhändler, „ich muss verrückt sein“, auch immer noch ein Extra obendrauf gibt, möchte ich auch die Arbeit der Universität Barcelona nicht unerwähnt lassen, die SARS-CoV-2 bereits im März 2019 (richtig gelesen) im Abwasser der katalanischen Hauptstadt nachgewiesen hat. Ja, die Arbeit ist ein Preprint und eventuell hält der Nachweis näherer Prüfung nicht Stand. Bemerkenswert ist sie allemal.

Resümee

Die Annahme, unser Immunsystem wäre dem Virus schutz- und hilflos ausgeliefert, war falsch. Alle darauf basierenden Modelle, Annahmen und Hochrechnungen sind damit obsolet.

Die Behauptung das Virus sei neu ist nicht mehr zu halten, und alle Märchen über die Genese auf einem chinesischen Wildtiermarkt gehören ins Reich der Legenden.

Ist SARS-CoV-2 saisonal?

Man könnte die Frage auch anders stellen: Gibt es Atemwegsviren, die nicht saisonal auftreten? Werfen wir einen Blick in folgendes Diagramm, welches den aktuellen Wissensstand zur Saisonalität endemischer Atemwegsviren als Virenkalender zeigt (Quelle: Medscape).

Quelle: Medscape

HMPV- und Adenoviren zeigen schwache saisonale Effekte. Alle anderen Viren weisen eine stark ausgeprägte Saisonalität auf, auch und insbesondere alle bisher bekannten Influenza- und Coronaviren. Warum sollte das bei diesem Coronavirus anders sein?

Auf nachfolgenden Zusammenhang hat der irische Bio-Ingenieur Ivor Cummins hingewiesen.

R. Edgar Hope-Simpson, ein britischer Epidemiologe, erörtert in seinem 1992 erschienenen Buch The Transission of Epidemic Influenza auch die Saisonalität der Influenza. Dabei zeigt er deutlich das Ansteigen der Prävalenz in den Wintermonaten der Nord- und Südhalbkugel, sowie eine schwach ausgeprägte Saisonalität mit niedriger Prävalenz in den Tropen und Subtropen.

Vergleicht man dieses Bild mit länderspezifischen Verlaufskurven der Sterbefälle für Covid-19 (zur Erinnerung, reine Fallzahlen sind zu stark von Tests abhängig), dann lassen sich frappierende Ähnlichkeiten finden. Dabei ist zu beachten, dass Todesfälle dem epidemischen Geschehen ca. 15 bis 25 Tage hinterherlaufen.

Warum Atemwegsviren saisonal auftreten, das scheint gar nicht so leicht zu beantworten sein. Abschließend geklärt ist es nicht.

Als starke Faktoren gelten:

  • hohe Empfindlichkeit von RNA-Viren gegenüber UV-Licht,
  • eine allgemein schlechte Verbreitungsmechanik im Freien (Tröpfcheninfektion),
  • geringere Haltbarkeit von RNA-Viren unter verschiedenen Wettereinflüssen und
  • der Einfluss von Vitamin-D auf das Immunsystem. Vitamin-D wird hauptsächlich durch UV-B-Strahlung in der Haut gebildet. In den Wintermonaten der nördlichen Breiten — jenseits des 51. Breitengrades — reicht nicht einmal die Mittagssonne aus, um mit einem genügend hohen Anteil von UV-B Strahlung Vitamin-D zu bilden.

Einfach gesagt: Halten sich die Menschen mehr im Freien auf, haben es Atemwegsviren aus unterschiedlichsten Gründen schwer, sich zu verbreiten. Schlussendlich kommt die epidemische Ausbreitung von Frühsommer bis Herbst zum Erliegen.

Insofern war es doch eine richtig gute Idee, Alte und Vulnerable über Wochen zu Hause einzusperren.

Resümee

Ganz offensichtlich ist auch SARS-CoV-2 in erheblichem Maße Saisonalität unterworfen. Was Drosten, Wieler & Co. dazu veranlasst hat zu glauben, es sei diesmal anders, weiß ich nicht. Je länger man sich aber mit dem Thema beschäftigt, desto mehr beschleicht einen der Verdacht, dass es nur sehr wenig mit Wissenschaft zu tun hat.

Wie wird SARS-CoV-2 übertragen?

Abschließend möchte ich noch den aktuellen Stand zu den Übertragungswegen zusammenfassen. Viel wurde im Verlauf der vergangenen Monate hierüber spekuliert. Vor allen Dingen viel Unsinn. Es hilft hier zunächst einfach den aktuellen Stand der WHO abzufragen. Die WHO geht gegenwärtig (Juni 2020) davon aus, dass sich SARS-CoV-2 primär über Tröpfcheninfektion in engem Kontakt mit symptomatischen (also kranken) Personen überträgt. Eine Übertragung via Aerosole wird nur dann für möglich gehalten, wenn aerosolbildende (technische) Prozesse das Virus verteilen. Übertragung rein über die Atemluft wird de facto ausgeschlossen. Schmierinfektion hält die WHO für möglich, gibt aber keine Auskunft darüber, unter welchen Umständen sie dies erachtet.

Soweit die WHO. Soweit keine besonderen Auffälligkeiten. Das Virus scheint sich genauso gut bzw. schlecht zu übertragen wie Influenza. Wer hätte das gedacht?

Prof. Streeck hat in seiner mittlerweile berühmten Heinsberg-Studie nicht nur nach Antikörpern gesucht, sondern auch nach lebenden Viren in der Raumluft und auf Oberflächen. Gefunden hat er keine. Zwar konnten RNA-Bruchstücke mithilfe von PCR-Tests nachgewiesen werden, eine Anzüchtung in Zellkulturen (also eine Infektion) ist aber in keinem einzigen Fall gelungen. Streeck ist daher auch zuversichtlich, dass reine Aerosol-Übertragung oder Schmierinfektion im Wesentlichen ausgeschlossen ist. Jedenfalls kommen beide Übertragungswege nicht als treibender Infektionsvektor infrage.

Helfen Masken?

Nein. Wahrscheinlich nicht. Das liegt aber nicht einmal nur daran, dass Masken technisch bei Viren eher nicht funktionieren. Von den Gesundheitsrisiken dauerhaften Maskentragens mal ganz abgesehen („Feuchtigkeitsspeicherung, Wiederverwendung von Stoffmasken und schlechte Filterung können zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen.“), gibt es auch zwei weitere wesentliche Faktoren:

  1. Dort, wo man sich hauptsächlich ansteckt — zu Hause, im Altenheim — trägt man dauerhaft keine Maske. Aus guten Gründen, zu denen, neben den Gesundheitsrisiken, vor allen Dingen die massive Störung echter zwischenmenschlicher Kommunikation gehört.
  2. Der Durchschnittsmensch ist gar nicht im Stande eine Maske so zu handhaben, dass sich kein Infektionsrisiko ergibt (niemals Maskenäußeres berühren, nach An- oder Ausziehen der Maske Hände gründlich desinfizieren usw.).

Das Argument, die Maske schütze ja andere, trägt nicht, weil auch die zu schützenden Personen selbst eine Maske tragen müssen, und sich daher durch unsachgemäße Handhabung eher einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen. Und auch bei jenen Personen gilt, dass die Masken technisch nicht annähernd so gut schützen, wie vermutet.

Der beste Schutz anderen gegenüber ist, wie bei der Influenza auch, sich zu Hause auszukurieren, solange es einem schlecht geht. Das funktioniert seit Jahrhunderten. Das könnte man also beibehalten.

Nicht einmal die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC hält Masken für sinnvoll. In einer im Mai 2020 veröffentlichten Studie zur Schutzwirkung von Masken bei Influenza Pandemien, konnte kein positiver Einfluss festgestellt werden.

Aber warum tragen wir dann demütigende Masken, halten Abstand und glotzen uns durch Plexiglasscheiben an? Ja, das wüsste man zu gern. Zumal Masken und Scheiben ohnehin erst eingeführt wurden, da war das Rennen schon längst gelaufen. Ich erübrige mir an dieser Stelle über die Gründe zu spekulieren. Aus argumentativer Sicht gibt es mehr zum Thema Maskenirrsinn nicht zu sagen.

Was ist mit diesen Superspreadern?

Dieser Tage hört man ja immer wieder davon, dass besonders gefährlich sogenannte Superspreader-Events sind. Ereignisse, Festivitäten oder Anlässe, bei denen eine Vielzahl von Menschen dergestalt aufeinandertrifft, dass sich das Virus leicht verbreiten kann. Da sind natürlich Karnevalsveranstaltungen, bei denen man gern mehr austauscht, als nur fröhliche Worte oder kollektives Fußballgucken, bei dem man sich bierselig in den Armen liegt, gut geeignet. Derlei Events mögen auch tatsächlich eine Rolle bei der lokalen Verbreitung eines Atemwegsvirus spielen. Auch von der Grippewelle ist bekannt, dass sie häufig mit der Karnevalssaison erst richtig Fahrt aufnimmt.

Allerdings muss man auch konstatieren, dass das Verhindern entsprechender Events nur wenig zum Schutz der alten und vulnerablen Bevölkerung und damit zur Verhinderung von schweren Erkrankungen und Sterbefällen beiträgt. Schließlich sind Altenheimbewohner für gewöhnlich selten Gäste auf Karnevals- oder Fußballfesten.

Das viel größere Problem ist, dass konzentriertes Einsperren von Menschen in Altenheimen sowie die Überfüllung von Krankenhäusern mit ansteckenden Patienten, die eigentlich auch gut hätten ambulant behandelt werden können, die eigentlich Superspreader-Events sind. Ausgangssperren und Panik haben diese überhaupt erst ermöglicht.

Ist asymptomatische Übertragung möglich?

Es ist es extrem unwahrscheinlich. Es mag eine kurze Phase der sogenannten präsymptomatischen Verbreitung geben. Aber auch diese wäre nur durch schwache Infektiosität gekennzeichnet.

SARS-CoV-2 wäre jedenfalls das erste Atemwegsvirus, bei dem so etwas wie asymptomatische Verbreitung beobachtet würde. Das hat auch einen einfachen Grund. Stark verkürzt dargestellt, bedeuten Symptome einer viralen Erkrankung meist, dass es das Immunsystem nicht geschafft hat, das Virus rechtzeitig zu eliminieren und es nun beginnt, sich massenhaft in bestimmten Wirtszellen zu vermehren. Das Immunsystem rückt mit der Kavallerie gegen den Eindringling an, und veranlasst den massenweisen, kontrollierten Zelltod (die sogenannte Apoptose) jener Zellen, die angefangen haben, das Virus zu verbreiten. Ein wichtiger Mechanismus einer ganzen Reihe von Verteidigungsstrategien unseres Immunsystems, solange das Virus selbst nicht mit Hilfe spezifischer Antikörper unschädlich gemacht werden kann, deren Bildung durchaus ein paar Tage dauern kann. Genau das ist es, was meist Symptome verursacht.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass ohne Symptome vermutlich auch keine oder nur eine äußerst schwache Virusreproduktion stattfindet. Bloß, ohne die massenweise Vervielfältigung des Virus in unseren Atemwegszellen, kann man auch nicht ansteckend sein.

An dieser Stelle sei auf den sehr interessanten Artikel des Schweizer Immunologen Beda Stadler verwiesen, emeritierter Professor für Immunologie und ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern. Er sagt unter anderem: „Es war sozusagen die Krönung der Dummheit, zu behaupten, man könne die Krankheit Covid-19 symptomlos durchmachen oder andere gar ohne Symptome anstecken“.

Auch die technische Direktorin und Epidemiologin der WHO, Maria van Kerkhove, erläuterte in einer Pressekonferenz vom 8. Juni: „Wir sehen uns diese Daten ständig an und versuchen, mehr Informationen aus den Ländern zu erhalten, um diese Frage wirklich beantworten zu können. Es scheint noch immer selten zu sein, dass ein asymptomatisches Individuum tatsächlich [das Virus] überträgt“. („We are constantly looking at this data and we’re trying to get more information from countries to truly answer this question. It still appears to be rare that an asymptomatic individual actually transmits onward.“)

Im Nachgang gab es einigen Ärger bezüglich dieses Kommentars, auch und vor allem innerhalb der WHO. Offenbar hatte man zu spät erkannt, dass mit dieser Aussage, praktisch alle Maßnahmen der meisten Länder ad absurdum geführt werden.

Schließlich ist es vollkommen sinnlos, Masken zu tragen, Abstand zu halten, sich hinter Plexiglasscheiben zu verstecken, das gesamte öffentliche, kulturelle und ökonomische Leben zu zerstören, die ungestörte Bildung und angstfreie Entwicklung unserer Kinder zu gefährden, wenn es genügt, dass Kranke zu Hause bleiben.

Resümee

SARS-CoV-2 wird technisch ähnlich übertragen, wie andere Corona- und Influenzaviren.

Ohne Massenpanik und Einsperren von Menschen in Innenräumen über lange Zeiträume, hätten die meisten echten Superspreader-Events — der Eintrag und die massive Verbreitung in Altenheimen und Krankenhäusern — vermutlich vermieden werden können.

Zum Schluss

Als im März meine anfängliche Ängstigung zunächst in Verwunderung, dann in ungläubiges Staunen und schließlich in Wut und Verzweiflung umschlug, da hatte ich doch stets die leise Hoffnung, dass mit zunehmend besserer Faktenlage, die Vernunft zurückkehren, und Politik und Wissenschaft die Normalität restituieren würden.

Aber genauso wie Drosten, Wieler, die WHO und viele andere sich in so ziemlich allem in Bezug auf SARS-CoV-2 getäuscht haben, so habe ich mich bezüglich der Standfestigkeit der Demokratie und Wissenschaft täuschen lassen.

Es ist vorbei

Es ist mittlerweile Anfang Juli. Seit über acht Wochen ist die Epidemie in Deutschland vorbei. Kehren wir doch noch einmal zum unerschöpflichen Quell wertvoller Informationen, zum RKI zurück.

Im Abschnitt zur Gefährlichkeit von Covid-19 hatte ich bereits erwähnt, dass das gewissenhafte RKI ein Netzwerk an Sentinelpraxen unterhält, dessen einziger Zweck die Überwachung der Prävalenz von Atemwegsviren während der Grippesaison ist. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) publiziert während der Grippemonate detaillierte Wochenberichte, die Auskunft über das bunte Treiben jener Atemwegsviren geben. Gewissenhaft haben die Beamten ihr Netzwerk seit der 8. KW auch auf die Überwachung von SARS-CoV-2 ausgeweitet.

Es lohnt sich, einen Blick auf die Tabelle zu den Testergebnissen im Wochenbericht der 20. KW zu werfen. Die untersten beiden Zeilen geben Auskunft über SARS-CoV-2.

Ich bitte genau hinzusehen. Die dicke schwarze Null ab KW 16 ist mindestens einen zweiten und einen dritten Blick wert, denn es ist im ersten Augenblick schwer, zu fassen, was sich hier offenbart.

Quelle: Robert Koch-Institut

Der letzte Nachweis von SARS-CoV-2 in einer Sentinelprobe erfolgte in der 15. KW, allerspätestens am 8. April, denn im Anschluss folgten die Osterfeiertage.

Um diesem Datum die angemessene Relation zu geben, habe ich in nachfolgende Grafik des RKI, aus dem Situationsbericht vom 1. Juli, den Zeitpunkt eingetragen (roter Balken). Seither wurde im NRZ keine Sentinelprobe mehr positiv auf SARS-CoV-2 getestet. In Worten: keine.

Quelle: Robert Koch-Institut

Der bis dato letzte Bericht der AGI erschien nurmehr als Monatsbericht für die KW 21 bis 24, und zwar schlicht deswegen, weil die Grippesaison beendet ist. In der Zeit außerhalb der Grippesaison werden grundsätzlich nur Monatsberichte veröffentlicht. Wie sich dem Dokument entnehmen lässt, ist „aufgrund der geringen Zahl wöchentlich eingesandter Proben (…) keine robuste Einschätzung zu den derzeit zirkulierenden Viren möglich.“

Trotzdem lohnt sich auch hier ein Blick auf die Tabelle mit den Testergebnissen.

Quelle: Robert Koch-Institut

Hier soll uns nur die letzte Spalte interessieren, welche schlicht die Summen über alle Tests seit der KW 40 aufführt.

Ja, man muss auch an dieser Stelle zweimal hinblicken, um zu begreifen, was man da sieht. Dafür, dass SARS-CoV-2 hoch infektiös und sehr virulent sein soll, ist es überraschend unterrepräsentiert, um es vorsichtig auszudrücken. Unter 1.570 auf das neue Coronavirus getesteten Proben (nur dem Fließtext zu entnehmen), waren nur 13 (0,8 %) testpositiv. Unter allen 4.019 eingesendeten Proben, waren aber immerhin in 916 Fällen (22 %) Influenzaviren nachgewiesen worden. Insgesamt waren überhaupt nur 48 % aller Proben positiv auf eines der bekannten Atemwegsviren getestet worden. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hier ausschließlich um Proben von Patienten handelt, bei denen ein symptomatischer Verdacht auf eine virale Atemwegsinfektion bestand. Mit anderen Worten, die auch wirklich krank waren.

Wie kann es sein, dass SARS-CoV-2 allein in Deutschland hunderttausendfach nachgewiesen wurde (fast 9.000 Menschen sind testpositiv verstorben) im Sentinelnetzwerk aus 566 Praxen mit 1.570 getesteten Proben aber gerade einmal 13 Proben positiv aufgefallen sind?

Anders gefragt: Laut RKI Situationsbericht vom 1. Juli, wurden in Deutschland 229.240 Fälle bei 5.873.563 Testungen identifiziert. Eine Positivenrate von 3,9 %. Fünfmal mehr als im Sentinelnetzwerk! Wobei wir sogar noch unberücksichtigt lassen wollen, dass bei den manischen Massentests ja auch Hunderttausende vollkommen symptomfreier Probanden getestet wurden, die Quote also eigentlich sogar deutlich schlechter sein müsste.

Wie ist das zu erklären? Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder das Nationale Referenzzentrum Influenza des RKI ist technisch signifikant schlechter im Nachweis von SARS-CoV-2, als Hunderte, in wenigen Wochen in Windeseile umgerüstete, Privatlabore. Oder es verhält sich genau anders herum.

Wenn man dieser Frage mit Logik begegnet, kann es darauf eigentlich nur eine zwingende Antwort geben. Wir jagen ein Gespenst.

Das Problem mit den Tests

Von Anfang an stellte sich die Frage, wie präzise die eingesetzten PCR-Tests tatsächlich SARS-CoV-2 nachweisen. Das Problem war und ist: Es gibt keinen Goldstandard für den Nachweis von SARS-CoV-2, also keinen verfügbaren Referenztest, mit dem sich prüfen lässt, ob das eingesetzte PCR-Testprotokoll überhaupt zum Nachweis des Coronavirus geeignet ist.

Das ist ganz gut vergleichbar mit einer Waage, deren korrekte Funktionsweise nur überprüft werden kann, indem man sie mithilfe geeichter Gewichte prüft.

Diese, im übertragenen Sinne, geeichten Gewichte, gibt es für den PCR-Test auf das neue SARS-Virus nicht. Die einzige Validierung, die der Test erfahren hat, war eine Art Ausschlussversuch, in welchem man „sichergestellt“ hat, dass er nicht auf eines der vier anderen bekannten endemischen Coronaviren (und natürlich nicht auf andere Virenarten) reagiert. Selbst in diesem Versuch gab der Test (bzw. das gesamte Testverfahren) in bis zu 8% aller Fälle Fehlalarm, wenn andere Coronaviren vorhanden waren. Reines Wasser wurde in 1,4% der Fälle positiv getestet.

Nun sind das alles für PCR-Tests keine außergewöhnlich schlechten Werte. Im Gegenteil. Es handelt es sich um ein verhältnismäßig zuverlässiges Testprotokoll.

Es gibt aber darüber hinaus eine ganze Reihe Probleme mit dem Testverfahren, wovon ich nachfolgend nur eine Auswahl aufzählen möchte.

  1. Bei niedriger Prävalenz des Virus, ist eine vermeintlich niedrige Falsch-Positiv-Rate von 1,4 Prozent eine Katastrophe und kann leicht dazu führen, dass über die Hälfte der positiv getesteten Probanden gar kein SARS-CoV-2 Virus tragen.
  2. Es ist unklar, bei welchen Coronaviren der Test kreuzreagiert. Darüber hinaus werden in vielen Laboren vereinfachte Nachweisverfahren eingesetzt (E-Gen Spezifität), die nachweislich auch bei anderen bekannte Coronaviren anschlagen würden.
  3. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Test positiv auf bovine Coronaviren reagiert, wie sie zum Beispiel bei Rindern vorkommen.
  4. Der Test weist kein Virus nach, sonder nur RNA-Bruchstücke. Ob man bei einem positiven Test wirklich mit SARS-CoV-2 angesteckt ist, bleibt unklar.

Die Tests sind also alles andere als unproblematisch. Das RKI weiß offenbar um das Problem und setzt daher in seinem NRZ ein deutlich strengeres Testprotokoll ein, das die zweifache Bestätigung einer Positivtestung mithilfe zweier unterschiedlicher Tests erfordert und darüber hinaus einen strengeren, hauseigenen PCR-Test einsetzt, der auf mehr SARS-CoV-2 spezifische Gene testet.

Im Ergebnis können daher vermutlich deutlich mehr falsch-positive Ergebnisse verhindert werden. Die Erkennungsrate fällt auf 0,8 Prozent.

Der Fall Tönnies

Am besten zeigt sich das am Fall Tönnies, auf den ich hier wirklich nur kurz eingehen möchte.

Die Frage, ob sich bei Tönnies tatsächlich auf einen Schlag 1.700 Mitarbeiter mit SARS-CoV-2 angesteckt haben können, beantwortet sich eigentlich von alleine. Das ist mit einer angenommenen Basisreproduktionszahl R0 von 3–5 und einer Inkubationszeit von 4–7 Tagen rechnerisch in so kurzer Zeit gar nicht möglich. Jedenfalls nicht als alleinstehender Cluster. Es müsste im Umfeld zigtausende Infektionen mehr geben.

Gibt es aber nicht. Das Massenscreening in Gütersloh und Warendorf hat bis 26. Juni nur etwas über hundert weitere testpositive Fälle hervorgebracht. Ob diese überhaupt mit Tönnies in Verbindung stehen ist unklar. Insgesamt stiegen die Zahlen der Testpositiven in einem Zeitraum von einer Woche um einige Hundert. In einem Gebiet, in dem 640.000 Menschen leben. Allerdings wurden auch die Tests massiv ausgeweitet.

Darüber hinaus wäre das der erste Cluster weltweit, in dem sich signifikant mehr als 20 % der Getesteten (hier 80 % von 2.000) angesteckt hätten. Davon die absolute Mehrheit auch noch asymptomatisch. Selbst in Gangelt waren am Ende nur 15 % seropositiv.

Das passt also vorne und hinten nicht. Insgesamt werden in den vier Krankenhäusern des Landkreises Gütersloh zusammen 21 Patienten stationär mit einer Covid-19 Diagnose behandelt. Sechs davon sollen intensivmedizinisch betreut, zwei beatmet werden. Fünf dieser sechs Patienten sind nach einer Meldung der Tagesschau Tönnies-Mitarbeiter. Ich will diese Fünf gar nicht infrage stellen. Aber das massenhafte Auftreten von positiven Virentests, hauptsächlich bei den Zerlegern, macht sehr stutzig.

Der Verdacht liegt nahe, dass der in Gütersloh eingesetzte Test auf Coronaviren positiv anschlägt, die regelmäßig bei Rindern oder Schweinen vorkommen. Deutliches Indiz dafür ist gerade der Umstand, dass fast ausschließlich Zerleger betroffen waren, also jene armen Teufel, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen müssen, im Akkord Kühe und Schweine zu zerteilen. Dabei geht es dort recht grob zur Sache und es ist durchaus möglich, dass die Mitarbeiter hierbei Virenbruchstücke der tierischen Coronaviren einatmeten, die dann durch den Test nachgewiesen wurden. Selbst Drosten erläutert in seiner Eloge Nr. 16, dass durchaus vorstellbar wäre, dass sein Test auf bovine Coronaviren kreuzreagiere, aber das ja nicht relevant sei, da nur Menschen getestet würden. Aha.

Am Ende ist das Problem immer wieder das Gleiche: Wir gucken durch ein kaputtes Teleskop und können echte Sterne nicht von kleinen Defekten auf unserer Linse unterscheiden.

Natürlich kann ich schlussendlich nicht ausschließen, dass sich bei Tönnies tatsächlich auf irgendwie unerklärliche Weise ein Superspreader-Event ereignet hat und bei den Testpositiven das Virus nachgewiesen wurde. Behörden oder Konsiliarlabore hingegen könnten das übrigens ganz leicht. Nur wollen sie wohl nicht?

Nehmen für einen Moment an, es wären wirklich alles Covid-19 Fälle, so würde ich fragen: Ja und? Wenn von 1.700 bekannten Fällen, 21 stationär behandelt werden müssen, sind das 1,2 %. Das liegt exakt auf dem Niveau der Influenza. Aber auch nur dann, wenn alle 21 stationär behandelten Patienten Tönnies Mitarbeiter sind, was nirgendwo behauptet wurde und auch eher zu bezweifeln ist.

Ganz zum Schluss

Eigentlich wollte ich nur schnell die wichtigsten Fakten zu SARS-CoV-2 auf wenigen Blättern zusammenfassen, weil inzwischen der Überblick verloren zu gehen droht und es mir von Tag zu Tag schwerer fällt, die Unsachlichkeit zu ertragen, mit der ununterbrochen die Nachrichtenkanäle zugemüllt werden. Nun sind es über siebzig geworden.

Mir ist bewusst, dass es nicht alle bis an diese Stelle schaffen. Da mache ich mir keine Illusionen. Solange die Mehrheit der geneigten Leser sich wenigstens mit den wichtigste Fakten beschäftigt, bin ich zufrieden. Denn dann bleibt die Hoffnung wachsender Skepsis.

„Sapere aude!“ — Wage es weise zu sein!

Wer einmal hinter den Vorhang geschaut und alle Tricks entzaubert hat, für den funktioniert die Illusion nicht mehr. Ich hoffe, ich konnte den Vorhang soweit heben, dass die Zweifel in eine unerschütterliche Suche nach Wahrheit münden. Denn wie hat es Voltaire doch einst ganz treffend formuliert? „Zweifel ist zwar kein angenehmer geistiger Zustand, aber Gewissheit ist ein lächerlicher.“

Machen wir uns nichts vor: Die Magier dieser schönen neuen Welt haben noch einige Tricks im Ärmel. Maskenzwang bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffes, Immunitätsnachweise und Impfpflicht sind noch nicht vom Tisch. Dieses Land ist soweit von irgendeiner Normalität entfernt, wie die NASA von einer Landung auf dem Mars.

Unzählige Stunden Arbeit stecken in diesen Seiten und doch ist so vieles unerwähnt geblieben. Die zusammengestümperte Drosten-Studie zur Infektiosität von Kindern, die einmal mehr an der Redlichkeit seiner Motive zweifeln ließ. Die zahlreichen Arbeiten, die belegen, dass Kinder beim Infektionsgeschehen praktisch keine Rolle spielen (weder werden sie häufig krank, noch stecken sie irgendjemanden in relevantem Maße an). Länder, die bereits seit Wochen Schulen, Kindergärten und Krippen wieder geöffnet haben, ohne dass es auch nur den kleinsten Anstieg der Infektionszahlen gegeben hätte. All das wären sicher wertvolle Aspekte gewesen, über die sich noch schreiben ließe.

Vieles von dem, was mich und andere in diesem Land beunruhigt, habe ich nicht einmal anreißen können. Die absolut verheerenden Folgen für die Wirtschaft. Die Gefährdung der seelischen und physischen Gesundheit Hunderttausender. Kultur, Gesellschaft, Politik, Demokratie und Wissenschaft, nichts wird ohne massive Schäden aus dieser selbst verursachten Krise hervorgehen.

Als im März die ersten, für mich völlig unvorstellbaren Maßnahmen angeordnet wurden, da rieten einige, man solle jetzt einmal kurz die Zähne zusammenbeißen, dann wäre der ganze Spuk in vier Wochen vorüber.

Es ist Anfang Juli. Obwohl es in Deutschland zu keinem Zeitpunkt, an keinem einzigen Tag, eine außergewöhnliche Infektionssituation gab, und obwohl sich die Prävalenz des Virus inzwischen nur noch im Bereich des statistischen Rauschens bewegt, tragen die Menschen Masken. Im öffentlichen Nahverkehr, in Fernzügen, in Restaurants, in den Gemeinschaftsbereichen der meisten großen Unternehmen, beim Friseur, ja sogar im Biergarten und noch in einer Vielzahl absurder Situationen mehr. Schüler tragen Masken auf dem Weg zur Toilette, in den Pausen und auf dem Weg zur Mensa (so sie denn überhaupt die Schule besuchen dürfen).

Noch immer gibt es Verbote für ganze Berufs- und Gewerbezweige, noch immer können unsere Kinder nicht ihr verbrieftes Recht auf Bildung uneingeschränkt wahrnehmen, noch immer können wir uns nicht frei versammeln, frei und ungestört feiern oder reisen, noch immer sind unzählige Aktivitäten verboten, können Betriebsverbote verhängt und Menschen aufgrund eines zweifelhaften Testergebnisses ihrer Freiheit beraubt werden.

Noch immer sind in allen Bundesländern Notverordnungen in Kraft, die verfassungswidrig und auf zutiefst inhumane Weise in unsere Grundrechte eingreifen.

Konkurse bewegen sich auf Rekordniveau.

Die Regierenden dieses Landes investieren unterdessen Hunderte Millionen Euro in Impfprogramme, beteiligen sich mit 300 Millionen Euro an der schwäbischen Biotec-Firma Curevac, kippen Milliarden von Euro mit der Badewanne aus und schwingen große, selbstlobende Reden, die so weit weg von der Wirklichkeit sind, dass einem nur noch speiübel werden kann.

Fast täglich erlebe ich aufs Neue, in welcher absurden, dystopischen Realität wir inzwischen leben, und jedes Mal denke ich: Was für ein Wahnsinn! Wofür?

Die blanke Wut packt mich, wenn ich das joviale und selbstgefällige Geschwätz unserer Politiker höre, die mit ihrer entsetzlichen Wissenschaftsfeindlichkeit und ihrem erbärmlichen, nur auf den Selbsterhalt ausgerichteten Intellekt, so vieles von dem zerstören, was Generationen über Jahrzehnte aufgebaut haben.

Alles für ein Virus, das gar nicht mehr da ist. Der Kaiser ist nackt!

Im Februar, da war ich Bürger einer konstitutionellen Demokratie und flammender Demokrat. Aus tiefstem Herzen und mit voller Überzeugung. Natürlich war nicht alles perfekt. Ja, der politische Betrieb wirkte oft wie ein Kuriositätenkabinett verkrachter Existenzen. Dennoch, ich war immer sicher, dass am Ende all der oft unerträglich zähen, sich immerzu wiederholenden Verhandlungen um die normative Verfasstheit unserer Republik, die Demokratie als Sieger hervorgehen würde.

Als Erstes haben sie die Freiheit geopfert. Nur, Demokratie ohne Freiheit, das ist wie Schwimmen ohne Wasser… ganz und gar unmöglich.

Alles ist schon einmal da gewesen. Geschichte wiederholt sich, das ist eine Binsenweisheit. Dennoch wird das Jahr 2020 einen Sonderplatz im menschheitsgeschichtlichen Archiv der Irrungen und Wirrungen einnehmen.

An 202o könnte man sich dereinst erinnern als jenes Jahr, in dem eine Elite geistloser Bürokraten den unverhohlenen Versuch unternahm, das Ideal aufgeklärter Gesellschaften zu begraben und eine technokratische Utopie als Leitbild moderner Staaten zu konstituieren.

Noch steht nicht fest, was die Geschichtsbücher über den Ausgang dieser „Revolution von oben“ schreiben werden.

Noch haben wir es in der Hand!

P. A.

Wie in den Vorbemerkungen schon erwähnt, bin auch ich nicht frei von Irrungen und Wirrungen, kann der Text Fehler enthalten. Außerdem mögen mir Fehlschlüsse unterlaufen sein. Das ist eine unvermeidliche Nebenwirkung des Abfassens genuiner Gedankengänge.

Ich freue mich über alle Hinweise auf Fehler, solange sie sachlich und konstruktiv sind. Diese dann bitte gern an societas.alethophilorum@mailbox.org.

Da ich weder berühmt noch einflussreich bin, mein Name also keinerlei Gewicht für dieses kleine Kompendium hat, habe ich mich für den Augenblick entschieden, es nicht unter meinem vollen Namen zu veröffentlichen. Wir leben in bizarren Zeiten, in denen es einige Zeitgenossen bereits als Affront empfinden, wenn andere Partizipation am Diskurs wagen, diesen gar einfordern oder — schlimmer — das offizielle Narrativ infrage stellen.

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Quelle: https://societas.medium.com/in-dubio-pro-libertate-915e66f1d461